Dienstag, 19. Mai 2009

Wie wirkt eine Inflations- oder Deflationssteuer?

Nachdem es einiges an Kontroverse darum gibt was uns bevorstehen wird. Inflation, Hyperinflation oder Deflation. Der Economist meint Deflation sei das größere Übel.

Inflation und Deflation sind dann gefährlich, wenn sich eine Inflationsspirale (auf Preiserhöhungen folgen Lohnerhöhungen die die Inflation weiter anfachen) oder eine Deflationsspirale (auf Preissenkungen folgt Konsum- oder Investitionsrückgang weil weitere Preisreduktionen erwartet werden, die dann eintreten und ...) ergeben.

Was passiert jetzt bei einer Änderung der Inflation. Es kommt zur Umverteilung von Nominalvermögen. In einem interessanten Paper haben Doepke und Schneider (Inflation and the Redistribution of Nominal Wealth, with Martin Schneider. Journal of Political Economy, December 2006) die Umverteilungseffekte von Inflation untersucht. Am interessantesten sind ihre Ergebnisse bezüglich der Haushalte, für die sie unterstellen, dass die Nominalvermögen der Vermögensverteilung in den USA nach Alterkohorten entspicht. Das Ergebnis:

1. Die Alten verlieren substantiell auf Kosten der Jungen.
2. Die Jungen in mittleren Einkommensklassen mit erheblichen Schulden gewinnen am meisten.
3. Die Armen gewinnen und verlieren wenig - aber wieder gewinnen die Jungen und verlieren die Alten.

Dieses Ergebnis ist vor allem dadurch getrieben, dass junge Schulden aufnehmen um z.B. Häuser, Wohnungen etc. zu kaufen, während die Alten diese Vermögenswerte bereits abgezahlt haben und durch die Entwertung ihrer Geldvermögen getroffen werden. Ein weiterer Gewinner ist der Staat, dessen Verbindlichkeiten - soweit sie in inländischer Währung gehalten werden - durch die Inflation schmelzen.

Das Ergebnis für die Armen hängt in einem Wohlfahrtsstaat auch davon ab, wie die Transferzahlungen an die Inflation angepasst werden. Hier gibt es einen Konflikt: Weil bei einem hochverschuldeten Staat davon ausgegangen werden kann, dass dieser einen Anreiz hat die Inflation weniger als proportional auszugleichen sollten die Armen hier zu den Verlieren gehören, insbesondere die alten Armen. Andererseits sind die Alten demographisch eine politisch wichtige Gruppe, die keine Partei vernachlässigen kann. Daher wird hier Druck entstehen die Verlierer zu kompensieren.

Ein Großteil der letztjährigen Inflation und der jetztigen extrem niedrigen Inflation ist auf Schwankungen im Öl- und Energiepreis sowie anderer Rohstoffpreise zurückzuführen. Zweitrundeneffekte waren kaum in Sicht. Eine solche Inflation verursacht Verteilungsprobleme, wenn die Güter nicht substituiert werden können. Für Verteilungsprobleme ist die Fiskalpolitik zuständig. Eine derartige Inflation ist importiert: Durch die höhere Nachfrage (die bösen Chinesen) und die geringere Förderkapazitäten (sorry aber das Öl ist eine endliche Ressource). So eine Inflation kann dennoch destabilisierend wirken, denn im Gegensatz zu einer homogenen Inflation über viele Güterklassen ist nicht ganz eindeutig wie die Zentralbank reagieren soll.

Lausbuben oder na...

Dreibierbesteller H.C. Strache zeigt die breite Verankerung der FPÖ in Teilen einer Gesellschaft, die aus vergangenem nicht lernt. Nach Wahlplaketen die an stürmerischer Deutlichkeit nichts übrig lassen: Echte volksvertreter statt eu-verräter zeigt h.c. endlich und endgültig, dass damals nicht drei bier sondern das Herbeisehnen eines zweiten dritten R. gemeint war. Da kann auch die pseudochristliche Botschaft Abendland in Christenhand nichts helfen. Odin und Wotan sind gemeint. Denn wenn man heute - ohne jeden Anlass - in Österreich ein Inserat gegen den EU-Beitritt Israels schalten, dann ist man ein Antisemit.

Zu Ebensee nur fünf Fragen: Wie alt muss man sein kein Lausbub zu sein? Dürfen nur Arier Lausbuben sein? Ist das Verbotsgesetz ein Scherz? Wie deppert darf man als österreichischer Staatsbürger sein? Wie lange darf man sich hinter Papa verstecken.

Und wenn FPÖ Generalsekretär Harald Vilimsky meint die SPÖ hätte Erklärungsbedarf, weil einer der Burschen, die die Gedenkfeier in Ebensee gestört hatte, Mitglied der Kinderfreunde und der Roten Falken war, dann müsste die FPÖ unter HC schon längst wegen rassistischer Hetze & verboten sein.

Und wenn Filzmaier meint dass Begriffe wie Hassprediger eine Unsitte seien, dann outet sich Filzmaier als verfilzter Maier, der die österreichische politische Kultur auf dem rechten Auge blind zu sein verinnerlicht hat (hat tip Politik-Blog).

Warum nur, warum nur hat Deutschland eine soviel bessere politische Kultur, die politische Jenseitige wirkich als solche demaskiert und in ein politisches Abseits stellt?

Mittwoch, 13. Mai 2009

Transparenz und die Freiheit zu wählen

In Deutschland herrscht Rechtsstreit um die Ver­öf­f­ent­li­chung von Sub­ven­ti­ons­emp­fän­gern. Der Spiegel schrieb am 24.4, davon dass Deutschland eine Klage drohen würde. Rechtslupe hat eine trockene Übersicht. In Österreich hatten wir diese Diskussion schon.
Dabei geht es immer um Datenschutz vs. Transparenz. Die Gerichte schätzen das folgendermaßen ein:

So­weit hier­nach die Ver­öf­f­ent­li­chung eines jeden Emp­fän­gers von EU- Mit­teln und der er­hal­te­nen Be­trä­ge zwin­gend im In­ter­net er­fol­gen müsse, liege ein gra­vie­ren­der Ein­griff in das Grund­recht auf Da­ten­schutz vor, der nicht ge­recht­fer­tigt sei. Denn dies sei nur dann der Fall, wenn der Ein­griff zur Er­rei­chung des dort ge­nann­ten Zwecks in einer de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft not­wen­dig sei, in einem an­ge­mes­se­nen Ver­hält­nis mit dem ver­folg­ten be­rech­tig­ten Zweck stehe und ein zwin­gen­des ge­sell­schaft­li­ches Be­dürf­nis be­ste­he.


Verstehe ich nicht. Bin kein Jurist. Der Bauer hat das Recht nicht veröffentlicht zu werden, er braucht nur keine Subventionen beantragen.

Îm Übrigen bin ich dafür, dass alle Staatsbeihilfen (wirtschaftlicher, kultureller und weiterer Natur - mit Ausnahme von Sozialtransfers) im Internet veröffentlicht werden. Sie sollen als Datenbank downloadbar sein, denn nur so kann irgenwie die Wirksamkeit der staatlichen "Geschenksverteilung/Förderung" überprüft und die politische Ökonomie der Subventionspraxis ("Hat der größte Bauer die größten Subventionen pro m2") überprüft werden.

Das ökonomische Argument für Vermögenssteuern: Nachhilfe in Sachen ökonomischen Alphabetismus

Schellhorn hat in seiner Kolumne am Sonntag unter dem bezeichnenden Titel "Ökonomischer Analphabetismus" über die Vermögenssteuer folgendes geschrieben:
Land der Mieter. Abgesehen davon, dass Grundstücke und Immobilien in den seltensten Fällen gestohlen, sondern mit vielfach besteuerten Arbeitseinkommen bezahlt werden (oder wurden), vergessen die SPÖ-Strategen einen zentralen Punkt: Österreich ist ein Land der Mieter. Drei von vier Bürgern wohnen unter fremden Dächern.

Die SPÖ rechnet offensichtlich damit, dass die Vermieter höhere Grundsteuern mit einem achselzuckenden „Da-kann-man-halt-nichts-machen“ hinnehmen werden. Schmecks. Die Grundsteuern sind nämlich Teil der Betriebskosten. Wird also die Abgabe auf Grund und Boden erhöht, steigen automatisch auch die Mieten. Und das nicht zu knapp. Eine Erhöhung auf „internationales Niveau“ bedeutet in etwa eine Vervierfachung der Grundsteuern. Worunter die adressierten „Reichen“ vermutlich deutlich weniger zu leiden hätten als etwa einkommenschwache Jungfamilien.

Das ist Politökonomie par excellence: Die Zinshausbesitzer der SPÖ werden sich nicht mit Vermögenssteuern selbst schädigen. Aber auch iv Generalsekretär Beyrer tappt in eine Falle:
Ebenso rief Beyrer dazu auf, in der Steuerdebatte Gleiches mit Gleichem zu vergleichen. So würden jene Beträge, die in Österreich vielfach als Gebühren abgeführt werden, in vielen Ländern als Vermögenssteuern laufen.
Beyrer meint dabei leider auch Einkommenssteuern.

Doch darum geht es beim ökonomischen Argument für Vermögenssteuern nicht. Das Ökonomische Argument ist ein Effizienzargument. Aus dem Abstract des OECD Working Papers von Jens Arnold (download):
The results of the analysis suggest that income taxes are generally associated with lower economic growth than taxes on consumption and property. More precisely, the findings allow the establishment of a ranking of tax instruments with respect to their relationship to economic growth. Property taxes, and particularly recurrent taxes on immovable property, seem to be the most growth-friendly, followed by consumption taxes and then by personal income taxes. Corporate income taxes appear to have the most negative effect on GDP per capita. These findings suggest that a revenue-neutral growth-oriented tax reform would be to shift part of the revenue base towards recurrent property and consumption taxes and away from income taxes, especially corporate taxes. There is also evidence of a negative relationship between the progressivity of personal income taxes and growth.
Es geht darum, dass vernünftig gestaltete Vermögenssteuern weniger Auswirkungen auf die Leistungsanreize (=Wachstum) haben als Steuern auf Kapital- und Arbeitseinkommen (vgl. auch: 1,2). Und Konsumsteuern - d.h. wenn die Vermögenssteuern auf Mieten umgewälzt werden - sind auch effizienter als Steuern auf Arbeit oder Kapital. Dies ist das ökonomische Argument, das nichts und überhaupt nichts mit Umverteilung oder Verteilungsgerechtigkeit zu tun hat.

Und für den um einkommensschwache besorgten Schellhorn: die Umverteilungswirkung kann durch andere zielgerechtetere Maßnahmen erreicht werden - z.B durch die Familienbeihilfe.

Dienstag, 12. Mai 2009

Es bluten die Niedrigverdiener genauso wie der "Mittelstand"

Im neuen Taxing Wages der OECD (link) gibt es zwei Diagramme die zeigen, wie unselbständige Einkommen besteuert werden. Wichtig dabei ist, pace Schellhorn und Salomon, nicht wieviel Einkommenssteuern von welchen Einkommensklassen bezahlt werden, sondern was von den Arbeitskosten nach den Sozialabgaben (jenen für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer) übrigbleiben (bzw. auch wie teuer Arbeit für Unternehmer ist).

Zwei Diagramme, eines für verheiratete Paare mit zwei Kindern und einem Verdiener, eines für eine(n) Alleinstehende(n) ohne Kinder. Das Durchschnittseinkommen (brutto) ist 38.650 Euro jährlich. Auf der x-achse ist das Einkommen dargestellt von 50% - 250 % des Durchschnittseinkommens. Blau sind die Dienstgeberabgaben. Violett die Dienstnehmerabgaben und grün die Lohnsteuer. Das Maximum der Belastung wird bei der Höchstbemessungsgrundlage erreicht. Dann steigt zwar die Lohnsteuer an, aber die Sozialabgaben werden dann regressiv.

Die Rote Linie ist der "tax wedge", die blaue Linie der durchschnittliche Steuersatz auf das Bruttoeinkommen (Steuer = Lohnsteuer + Dienstnehmerabgaben).



Soviel zur Belastung der hohen Einkommen. Das einzig wirklich progressive scheint die Kinderbeihilfe zu sein.

Die Niedrigverdiener bezahlen ihren Anteil, aber in Form von Sozialabgaben. Wer leidet darunter? Die Unternehmer, die für unqualifizierte Arbeiter prozentuell gleichviel/mehr abliefern müssen als für hochbezahlte. Ausser in Deutschland, Belgien, Ungarn und Frankreich müssen Niedrigverdiener (67 % des Durchschnittseinkommens brutto-brutto) nirgendwo mehr bezahlen als in Österreich.

Ich kann das Wort vom Ausbluten des Mittelstandes schon gar nicht mehr hören. Es stimmt nicht. Denn allein auf die Einkünfte aus der Lohn- oder Einkommenssteuer zu schauen verkennt die wesentlichen Steuern in einem Wohlfahrtsstaat: Sozialversicherungsbeiträge und indirekte Steuern, die regressiv oder proportional sind. Erstere erhöhen die Arbeitskosten für den wahren Mittelstand - die Unternehmer. Letztere sind Konsumsteuern.

Und ja ich denke es wäre positiv, wenn ein Teil der Arbeitskosten gegen eine sinnvolle Vermögenssteuer getauscht wird. Insbesondere wenn die Vermögenssteuer auf Grund und Wohnung und alleine von den Gemeinden eingehoben wird. Damit könnte auch Steuerwettbewerb im Finanzföderalismus (in Grenzen) realisiert werden.

Konjunkturpakete, der Mittelstand und Andreas Schnauder

Andreas Schnauder schreibt wieder über die Fiskalpolitik vulgo Konjunkturpakete. Und ist inkonsistent. Am 20. März schrieb Schnauder, dass es für Löschaktionen zu spät sei. Heute beklagt er sich, dass das Konjunkturpaket ein Leichtgewicht sei, das nicht bei den mittelständischen Unternehmen ankomme.

Eines von beiden muss falsch sein. Entweder Fiskalpolitik hat wenig Wirkung oder Fiskalpolitik hat große Wirkung. Beides geht nicht.

Weiters ist der Mittelstand sicherlich nicht das systemisch relevanteste Element in der österreichischen Volkswirtschaft. Bestimmte exportorientierte Sektoren und die Nachfrage zu beeinflussen kann da effizienter sein. Denn im Mittelstand werden einige Unternehmen stark getroffen, andere merken kaum etwas. Letztere sollen nicht auch einen cent aus dem Börserl zukünftiger Steuerzahler bekommen. Eine Gieskanne für die KMUs wie sie Schnauder sich implizit vorstellt wäre budgetpolitischer Selbstmord und hätte einen marginalen Hebel für betroffene Unternehmen. Das kann Herr Schnauder doch nicht wollen, oder?

Und Schnauder vergisst, dass er mit Firmenumfragen über die Verwendung von Konjunkturpaketen gar nicht die Wirkung der Konjunkturpakete abschätzen könnte, selbst wenn er wollte. Dies müsste makroökonomische passieren, mit allgemeinen Gleichgewichtseffekten.

Österreich steht besser da als Deutschland. Wieso? Ich glaube nicht unbedingt wegen der Konjunkturpakete. Diese haben aber Österreich schon zählbares an Einbruch erspart. Denn Ziel von Fiskalpolitik in der Krise ist die Krise abzufedern. Die Feuerwehr löscht nicht um den brennenden Schreibtisch zu retten, sondern damit sich das Feuer sich nicht weiter ausbreitet. Die Wirkungen verschiedener Maßnahmen können den Unternehmen sehr wohl verborgen bleiben. Wenn sich der private Konsum auf Grund von Steuersenkungen stabilisiert, die automatischen Stabilisatoren anlaufen und einige Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette vorher oder nachher positioniert sind nicht insolvent werden, weil sie auf Garantien zurückgreifen können, dann hat das Konjunkturpaket sein Ziel erreicht. Schnauder schreibt aber

Die Steuerreform ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, stellt aber keine gezielte Maßnahme dar und vermehrt vor allem die Sparguthaben. Bleibt also nur ein verschwindender Teil an zusätzlichen öffentliche Investitionen und diversen Mittelstandshilfen, die wirtschaftsbelebend wirken - und die hängen großteils in der Umsetzung. So entpuppt sich das Konjunkturpaket in Sachen Effizienz als Leichtgewicht.

Wenn aber die Konjunkturpakete in dieser Dimension die Konjunktur so hebeln würden, wie das Schnauder wollte - dass Österreich ein 0 vor dem Komma stehen hätte - dann müsste man sich vernünftigerweise fragen ob nicht eine staatliche gelenkte Marktwirtschaft besser sei als eine privaten Regeln unterworfene Marktwirtschaft. Nun diese Frage stellt sich nicht. Aber das besagt jetzt kaum etwas über die Wirkung bzw. Nichtwirkung von Fiskalpolitik. Dazu bräuchte man Elastizitäten, Elastizitäten und Elastizitäten über die Wirkungen jetzt. Vergangene Werte sind nicht unbedingt representativ - die Rahmenbedingungen verändern sich und damit das Verhalten.

Montag, 11. Mai 2009

AIG: Wer enteignet wen?

Nachdem ich schon einmal etwas "verschwörungstheoretisch" in Bezug auf AIG unterwegs war, soll mich diesmal nichts hindern nochmal etwas zu schreiben.

Moe Tkacik schreibt auf Talking Points Memo, dass es das staatliche Unternehmen AIG gewesen sein soll, welches mit massiven Portfolios von Derivativverträgen den Investmentbanken geholfen haben soll um ein erfolgreiches erstes Quartalsergebnis zu erhalten - vgl. Baseline Scenario.

Jetzt postet TPM ein geheimes Interview mit einem AIG Executive, in welchen dieser behauptet, dass AIG jetzt bailout-Gelder verwendet um großzügige CDS und andere Derivative zu verkaufen:

Our source says it "is becoming assumed throughout the industry that AIG FP finding new ways to roll over" -- which is to say, using bailout money to offer counterparties on its trades generous terms in closing out its contracts with the massive issuer of credit default swaps and other exotic derivatives options.

Es wird gemunkelt, dass AIG FP Mitarbeiter damit neue Arbeitsverträge bei ihren Vertragspartnern erkaufen:
(...) he said we should watch for signs of AIG FP employees being rewarded for their generosity with jobs working for their old counterparties under eyebrow-raising terms -- "like if you have a noncompete," the source explained, "and you go to a competing firm doing something far below you for an extreme salary."
(...)
executives might be hastening their departure from the zombie insurer by squandering billions of taxpayer dollars is...while perhaps unsurprising, still a little nuts.

Sollte das stimmen, hat das etwas von dem Prozess, den ein bekannter, berüchtigter und lange toter Ökonom als "ursprüngliche Akkumulation" bezeichnete: Eine Enteignung der Produktionsmittel von den ursprünglichen Eigentümern. Wenn der Eigentümer der Staat ist, scheint das einfacher zu sein.

"The staggering thing," our source says, "is the size of these deals."

Sonntag, 10. Mai 2009

Finanztransaktionssteuer oder europäische Bankenaufsicht?

Wenn ich wählen könnte hätte, würde ich die europäische Bankenaufsicht für grenzüberschreitende Banken sofort haben. Auf die Finanztransaktionssteuer kann ich derzeit verzichten.

Leider sehen das Swoboda (SPÖ), Franz Fischler und Othmar Karas (ÖVP), Mölzer (FPÖ), Lunacek (Grüne) und Stadler (BZÖ) sind alle prinzipiell für die Finanztransaktionssteuer. Aber keiner redet über Institutionen, die notwendig sind um den gemeinsamen Markt noch gemeinsamer und sicherer machen, wie zum Beispiel eine europäische Finanzmarktaufsicht für Finanzmärkte, Banken etc.

Meine Vorliebe für europäische Regulierer baut Hoffnung darauf, dass Schweden, Bulgaren, Griechen und Deutsche für die Provizialität reine österreichische Farbenlehre kein Verständnis haben werden und Bewertungen somit etwas rationaler sein werden. Aber siehe Stress-Test auch große Regulierungsbehörden sind vor regulatory capture nicht gefeiht.

Aber die Engländer würden ohnehin nicht zustimmen. Bei beidem nicht.

Samstag, 9. Mai 2009

Wie produktiv waren Innovative Finanzprodukte?

Adam Posen und Marc Hinterschweiger versuchen diese Frage zu beantworten (hat tip Mark Thoma) und tun sich schwer dafür Evidenz zu finden. Es ist jedem klar, dass Finanzinnovationen nicht dazu geführt haben, dass Bankspesen gesunken wären, dafür hat die EU gesorgt und die Informationstechnologie. Also Regulierung. Aber für Unternehmen könnte sie ja was gebracht haben.

Wir erinnern uns die drei wichtigsten Funktionen eines Finanzsystems sind: (i) Kaufkraft von Haushalten mit Ersparnissen zu Unternehmen mit Investitionsprojekten zu kanalisieren, (ii) Unternehmekontrolle (corporate governance) und (iii) Risiken zu diversifizieren. Bei (iii) könnten sie ja was gebracht haben. Finanzprodukte wie CDS und CDOs sollten eine effizientere Allokation von Risiken ermöglichen. Die Re-allokation von Risiken sollte nichtfinanziellen Unternehmen erlauben sich auf produktivere Tätigkeiten stärker zu konzentrieren. Finanzunternehmen sollten stabiler sein weil illiquide Assets aus den Bilanzen verschwinden würden. Allerdings wie Posen und Hinterschweiger zeigen gibt es keinen wirkliche starken Zusammenhang zwischen Unternehmensinvestitionen und dem Markt für moderne Finanzderivate. Wie Abbildung 1 (von Posen und Hinterschweiger) zeit erhöhten sich die Investitionen in den USA zwischen 2003 und 2008 um ca. 25 %, während der weltweite Umfang von over-the-counter (OTC) Derivativen um 300 % sowie die Derivative, die von den 25 größten US Banken gehalten wurden um 170 % stiegen.



In der Tat waren bei ca. 90 % der Derivative Akteuere des Finanzsektors und nur bei 10 % Akteuere im nichtfinanziellen Sektor Gegenpartei bei OTC Geschäften. Und diesbezüglich meinen Posen und Hinterschweiger:
Had their usage by financial institutions generated either a boom in productive lending or a more resilient financial system, then, even if unused by nonfinancial companies directly, these new products could still have been productive. Since we have clearly seen the opposite over this time period, it is a revealing indicator that the nonfinancial companies for whom these products were prescribed did not themselves use them.
Dies bestätigt mich in der Vermutung, dass ein großer Teil dieser Produkte entweder spekulativ oder zur Regulationsarbitrage verwendet wurde. Wie immer in einem Pyramidenspiel erkennt man bei einer Blase, dass es sich um ein Pyramidenspiel oder eine blase gehandelt hat wenn das Spiel platzt.

Wie es scheint braucht der Finanzmarkt Regeln wie ein "normaler" Markt für etwas kompliziertere Güter wie Autos, Gebäude, Medikamente, Nahrungsmittel etc.:
We are already hearing warnings from the financial industry that government should be careful not to overreach in its attempts at reform, for fear of harming financial innovation. While that is a worthy principle, our belief is that the record of recent financial innovations acts as a warning to be skeptical about excessive claims that all financial innovation is worthwhile. What was advertised as something to redistribute risk, and thereby increase productive investment, generated little capital formation; what was supposed to benefit nonfinancial businesses was mostly used in a speculative game between financial players. In fact, given the gap between these products’ claims and their actual usage and impact, one has to wonder whether recent financial products are like the recalled weight-loss supplement Hydroxycut, the repeatedly crashing DC-10 aircraft, or the Chernobyl nuclear reactor design. If so, even if many financial innovations are beneficial, all of them need to be monitored over the long term, as well as scrutinized before issuance, by regulators for their safety and effectiveness.

Freitag, 8. Mai 2009

Die EZB senkt die Zinsen und wird ein wenig unkonventionell

Die EZB hat den Leitzins auf 1 % gesenkt. Um 0,25 %. Zusätzlich hat sie erste zaghafte Schritte in Richtung unkonventioneller Geldpolitik. Nicht wirklich überraschend hat die EZB auch angekündigt, dass sie mit unkonventionelle Methoden experimentiern würde:

The Governing Council has decided in principle that the Eurosystem will purchase euro-denominated covered bonds issued in the euro area. The detailed modalities will be announced after the Governing Council meeting of 4 June 2009.


Wirklich revolutionär ist das alles nicht wirklich. Eine andere Entscheidung hätte mich jetzt wirklich verwundert, wenn Buiter und Mankiw über negative Zinssätze reden und die FED, die Bank of England, die Schweizer Nationalbank und die Bank of Japan schon länger quantitative Lockerung betreiben und niedrigere Zinssätze aufweisen. Die Maßnahme der EZB ist besondere auf covered bonds = Pfandbriefe ausgerichtet, wahrscheinlich um die Immobilienmärkte in Spanien und Irland zu stützen bzw. diesen wichtigen Kreditmarkt noch einmal spezifisch zu lockern.

Ich sehe noch keine anstehende Reflationsgefahr. Vor allem ist das kolportierte Volumen unter jenem von Großbritannien allein. Für jene mit Inflationsangst sei folgende Post von Scott Sumner ans Herz gelegt. Aber Brad DeLong ist nicht überzeugt und sieht Inflationsgefahren.


Donnerstag, 7. Mai 2009

Vorschläge für dicke Banken

Blick Log hat neben anderen zwei spannende Referenzen auf einen Kommentar in der NZZ und ein Interview mit Charles Goodhart in der Zeit. Charles Goodhart meint, dass Bankengröße bei der Regulierung eine Rolle spielen sollte und (wie Simon Johnson) dass das Wettbewerbsrecht mit aller Stärke angewandt werden soll:
Es gab immer wieder Fälle, in denen Großkonzerne zerschlagen wurden. Nehmen sie den Telefonriesen AT&T. Vielleicht müssen wir auch einige Banken zerschlagen. In den USA könnte die Citigroup zu den Kandidaten gehören, in der Schweiz möglicherweise die Credit Suisse und die UBS, in Deutschland vielleicht die Deutsche Bank.
In der NZZ haben Boris Zürcher und Thomas Held einen interessanten Vorschlag für die präventive Regulierung von großen Banken:

Diese Bedenken legen nahe, die Regulierungsphilosophie und -strategie grundsätzlich zu überdenken. Eine neue Strategie müsste in erster Linie der Tatsache Rechnung tragen, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen Aufsicht und Banken zugunsten Letzterer verschoben und dass sich die Problematik des Moral Hazard erheblich verschärft hat. Um es spieltheoretisch zu formulieren, müssten beide Spieler gleich lange Spiesse haben. Eine mögliche Lösung könnte in einer eindeutigen und die Aufsichtsorgane unverrückbar verpflichtenden Regelbindung bestehen. Walter Bagehot, erster Herausgeber des «Economist» und eminenter Zentralbanktheoretiker, hat vor 140 Jahren empfohlen, einer Bank mit Liquiditätsproblemen grosszügig, aber zu einem Strafzins Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Diese Regel müsste so ergänzt werden, dass die Regulierungsbehörde bei drohender Insolvenz einer systemrelevanten Bank unverzüglich die Aktionäre enteignet und das Management entschädigungslos absetzt. Die Obligationäre und andere Klassen von Gläubigern müssten durch Umwandlung der Forderungen in neues Eigenkapital am Verlustrisiko beteiligt werden. Der zentrale Punkt ist, dass solche Regeln ex ante gesetzlich festgelegt werden müssen, damit der Regulator ex post keinen Spielraum hat, um doch mit der hilfesuchenden Bank zu verhandeln. Selbstredend würde das bedingen, dass der Regulator über Ressourcen verfügt, um eine solche gesetzliche Regelung jederzeit durchzusetzen. Die Regelbindung wäre ähnlich jener bei der Schuldenbremse oder solchen in der Geldpolitik. Obwohl diese anfänglich als kaum durchsetzbar galten, gehören sie heute zum Standardrepertoire der Wirtschaftspolitik und funktionieren zufriedenstellend. Die bezüglich systemrelevanter Unternehmen zu unternehmenden Reformen müssten also die Erwartungen eines staatlichen «Bail out» der Gläubiger ex ante reduzieren.

Gegenüber dem konventionellen Regulierungsinstrumentarium hätte eine solche Ex-ante-Bindung zahlreiche Vorteile: Erstens würde von der Verstaatlichungsdrohung als «Höchststrafe» eine permanent disziplinierende Wirkung auf das Risikoverhalten einer systemrelevanten Bank sowie auf die nicht versicherten Gläubiger oder Fremdkapitalgeber ausgehen. Gleichzeitig würde, zweitens, dem Haftungsprinzip wieder zum Durchbruch verholfen und der auch gesellschaftspolitisch untragbare Moral Hazard deutlich reduziert. Drittens könnte man auf die komplizierte Weiterentwicklung von quantitativen Regulierungen à la Basel II verzichten. Viertens würde diese Regel keine Anmassung von Wissen seitens der Behörden über die «richtige» Grösse einer systemrelevanten Grossbank bedingen. Und schliesslich wäre eine solche Regel national durchsetzbar.


Dienstag, 5. Mai 2009

Alle lieben die Finanztransaktionssteuer

SPÖ. FPÖ. Gruene. ÖVP. ATTAC. Presse. Standard. Krone. Der Papst und meine Oma. Aber die meisten - vermute ich mal - fühlen eher warum. Es wird ihnen warm ums Herz. Aber sie wissen nicht warum. Es geht gegen die bösen Spekulanten bzw. vielleicht darum Steuergelder für eine gute Sache bereitzustellen.

Ich denke dass Wissen besser als Gefühl ist:

1. Eine Finanztransaktionssteuer unterscheidet nicht zwischen "guten" und "spekulativem" Handel.
2. Sie ist das falsche Instrument um Währungsspekulation einzudämmen. Bei einem Steuersatz von 0.1% wird sie nichts gegen Spekulative Attacken ausrichten die auf Ab- oder Aufwertungen im Prozentbereich wetten. Sie verhindert auch nicht Zinsarbitrage zwischen Ländern.
3. Neuere wissenschaftliche Ergebnisse kommen zum Ergebnis, dass Transaktionssteuern die Volatilitäten an Märkten nicht reduzieren. Wenn sie das gehandelte Volumen reduzieren können sie die Volatilität sogar erhöhen.* Spekulation wird durch Erwartungen getrieben. Ob eine kleine Steuer Erwartungen verändern kann? Da bin ich mir nicht wirklich sicher eher skeptisch.
4. Sie ist eine Transaktionssteuer und reduziert dadurch die Liquidät von Märkten, die zentral für Geldpolitik ist **. Gute Märkte sind liquide. (Daher wäre ich auch für die Abschaffung der Transaktionssteuern bei Wohnungskauf und -verkauf, die sinnvollerweise durch eine Vermögenssteuer zu ersetzen). Diesbezüglich ist die Tobintax vielleicht sogar anachronistisch, denn der wirtschaftspolitischen Autonomie von Staaten hat sich seit den 60er Jahren grundlegend verändert.

Warum könnte sie dennoch gut sein. Vielleicht weil man mit einer Finanztransaktionssteuer etwas mehr wirtschaftspolitische Autonomie herstellen kann? Ich bleibe skeptisch. Globalisierung hat zuviel Gutes gebracht.

Ich habe nichts gegen das Ziel die Einkünfte zur globalen Umverteilung zu verwenden. Dann wäre aber eine globale Vermögenssteuer eine ehrlichere Lösung aber vielleicht undurchsetzbar.

Regulierung ist wahrscheinlich viel effektiver um Spekulationen zu unterbinden. Und Märkten sollte man nicht prinzipiell zu misstrauen. Auch Sozialisten sollten ihren Hayek gelesen habe.



* z.B. Hau (2006), The Role of Transaction Costs for Financial Volatility: Evidence from the Paris Bourse, Journal of European Economic Association (June 2006)

** Grahl, Lysandrou (2003) Sand in the wheels or spanner in the works? Cambridge Journal of Economics, 597-620

Montag, 4. Mai 2009

Geldpolitik IV: Quantitative Lockerung

Was machen die Notenbanken in einer Situation in der sie die Kontrolle über ihr liebstes Instrument den kurzfristigen Zinssatz de facto aufgegeben haben weil er nahe bei 0 % ist und somit nicht wirklich weiter gesenkt werden kann?

Wie bereits erwähnt ist in diesem Fall die Geldpolitik nicht wirkungslos. Ben Bernanke meinte dazu bereits 2002, dass im Falle einer Wirtschaftskrise ein Zinssatz nahe von 0 nicht bedeutet, dass die Geldpolitik expansiv sein muss:
In fact, when prices are falling, the real interest rate may be high and monetary policy tight, despite a nominal interest rate at or near zero.
Die alte keynesianische Position war, dass in einer Liquidtätsfalle Geldpolitik keine Auswirkung hat. Im Gegensatz dazu sagen moderne Geldpolitiker und -theoretiker, dass selbst wenn die Vergrößerung des gegenwärtigen Geldangebots keinen Effekt hat, Geldpolitik wirksam sein kann. Wieder Ben Bernanke:
So what then might the Fed do if its target interest rate, the overnight federal funds rate, fell to zero? One relatively straightforward extension of current procedures would be to try to stimulate spending by lowering rates further out along the Treasury term structure--that is, rates on government bonds of longer maturities.
Willkommen in der Welt der unkonventionellen Geldpolitik und ihren Missverständnissen. Oft wird von quantitativer Lockerung geredet, wenn über die Geldpolitik der Federal Reserve gesprochen wird. Ben Bernanke spricht lieber von Kreditlockerung (credit easing).
Darüber hinaus kann unkonventionelle Geldpolitik auch bei positiven Zinssätzen notwendig sein, wenn der Transitionsmechanismus der Geldpolitik nicht ausreichend funktioniert.

Der IMF hat da eine interessante Dar- und Aufstellung im Gobal Financial Stability Report. Beginnen wir mal mit den Auswirkungen. Die folgende Darstellung zeigt die Aktivseite ausgewählter Zentralbankenbilanzen (August 2008 =100, Quelle IMF). Insbesondere Schweden, Großbritannien und die USA haben ihre Aktivseite stark ausgeweitet - das heisst mehr als verdoppelt.

Weshalb wurde die Bilanz in so kurzer Zeit so aufgeblasen? Die Antwort ist primär um Liquidität und Kreditangebot zu stützen. Was haben die Zentralbanken gemacht?

Die sogenannten unkonventionellen Maßnahmen sind Instrumente die direkt die Kosten und Verfügbarkeit der Finanzierung für Banken, Haushalte und den nicht-finanziellen Unternehmenssektors beeinflussen ohne über den Zinskanal zu laufen. Finanzierungsquellen, die dabei beeinflusst werden, können Zentralbankgeld, Kredite, Anleihen oder sogar Eigenkapital sein. Weil die Finanzierungskosten in der Regel über verschiedene Aufschläge auf den kurzfristigen Interbankenzinssatz bestimmt sind, den die Zinspolitik der Notenbanken steuert, können unkonventionelle Maßnahmen als Versuche gesehen werden die Kostenunterschiede (spreads) zwischen verschiedenen Formen der Fremdfinanzierung zu beeinflussen.

Zunächst haben Notenbanken dafür gesorgt, dass genügend Liquidität insbesondere in den Geldmärkten zur Verfügung steht. Dies konnte durch teilweise durch Standardmaßnahmen erreicht werden. In Offenmarktgeschäften wurden der qualifizierte Kollateral, die Teilnehmer und die Bedingungen angepasst. Dies haben – abhängig von ihren gängigen operativen Politikimplementierungen – alle Notenbanken gemacht. Dabei ging es nicht nur darum inländisches Geld zur Verfügung zu stellen, sondern auch ausländischee Währungen. Dabei haben die Nationalbanken ihre Rolle als Kreditgeber der letzten Zuflucht eingenommen, wenngleich das Ausmaß neu war.

Als die Auswirkungen der Krise auf die Kreditmärkte klar wurden, haben einige Notenbanken, vor allem jene der USA, Großbritanniens und Japans, versucht direkt bestimmte Kreditmärkte – insbesondere jene für kurzfristige Unternehmenskredite und Hypothekarkredite - zu beeinflussen. Dies konnte zum Beispiel durch den Kauf von spezifischen Wertpapieren wie verbrieften Hypotekarkrediten geschehen. Ziel dieser Maßnahme war es die Zinsstruktur in diesen Märkten zu beeinflussen. Weil diese Maßnahmen quasi-fiskalische Wirkung haben, wurden diese Maßnahmen in enger Abstimmung mit den jeweiligen Finanzministerien durchgeführt.

Eng in Zusammen damit steht das was eigentlich als quantitative Lockerung bezeichnet wird und dessen Ziel es ist die Zentralbankgeldmenge zu erhöhen um generell den Zugang von Haushalten und Unternehmen zu Kredit zu gewährleisten und längerfristige Zinssätze zu reduzieren und Liquidität zu gewährleisten. Dies geschieht in der Regel durch den Ankauf von Wertpapieren (i.d.R. Staatspapiere oder staatlich garantierten Papieren) von Banken. Die Idee dahinter ist, dass die Zentralbank entweder die Inflationserwartungen höher schraubt bzw. glaubwürdig versichert den kurzfristigen Zinssatz längerfristig niedrig zu halten. In beiden Fällen würde die Erwartungen in Richtung eines niedrigeren realen langfristigen Zinssatzes beeinflusst. Quantitative Lockerung kann man als Anwerfen der Notenpresse beschreiben.

Folgende Tabelle aus dem Gobal Financial Stability Report des IMF gibt einen kurzen Überblick über Maßnahmen die verschiedene Zentralbanken getroffen haben:



Ein Problem mit der quantitativen Lockerung ist, dass die Banken mitspielen müssen, damit die Liquidität an die Haushalte und Unternehmen weitergegeben wird. Banken könnten das Geld auch als Buffer verwenden, damit bliebe das Geld aber im Bankensystem und die Wirkung wäre gleich null. In marktbasieren Finanzsystemen wird eher „credit easing“ als strikte quantitative Lockerung wirksam sein, in bankbasierten Systemen eher quantitative Lockerung.

Ein Problem mit der unkonventionellen Geldpolitik ist, dass Kreditoren und Gläubiger mitspielen müssen. Welche Probleme können damit verbunden sein:

a) Durch die direkte Steuerung könnten ineffiziente Kreditärkte auf Kosten effizienterer Alternativen gefördert werden, welches langfristig das Wachstum negativ beeinflussen kann.
b) Die Bilanz der Notenbanken wird illiquider und mit riskanten Wertpapieren belastet, dies könnte die Flexibliltät, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Notenbanken beeinträchtigen.
c) Quantitative Lockerung hat nur dann einen Effekt auf die Inflationserwartungen, wenn die Lockerung als permanent angesehen wird. Weil die quantitative Lockerung der Japanischen Nationalbank nur temporär war, wird argumentiert hatte diese in Japan keinen Effekt auf die Inflationserwartungen.
d) Es stellt sich die Frage ob Inflationserwartungen langfristig erhöht werden können, ohne dass die Nominalzinsen mitziehen.
e) Inflationsgefahren hängen zentral vom Ausstiegsszenario ab. Ein Überschießen der Inflaitonserwartungen könnte zwar erwünscht sein, aber die Glaubwürdigkeit der Nationalbank beschädigen, insbesondere wenn ihre Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist.

Dies bedeutet, dass die Kommunikation der geldpolitischen Strategie bei unkonventionellen Maßnahmen noch wichtiger ist als bei der normalen Geldpolitik.

Jedem weitergehend Interessierten sei Vortrag von Lorenzo Bini Simaghi (pdf, html )empfohlen. Ein must-read.


Sonntag, 3. Mai 2009

Wenn sich links und rechts auf Kniehöhe begegnen

Früher habe ich mich öfter mal geärgert als mir jemand sagte, die europäische Rechte sei politisch gleich drauf wie die europäische Linke. Komische Zentristen, die das sagten, Liberale natürlich. Stimmt im Ganzen nicht. Zwischen der europäischen Rechten und der europäischen Linken gibt es erhebliche Unterschiede. Aber wirtschaftspolitisch manifestiert sich dieser kaum: old school Sozialdemokraten, Statisten, Ständestaatler, und Vertreter einer brauneren Freiheit passen alle in das selbe wirtschaftspolitische Boot. Einfache Tests mit dem politischen Kompass geben darüber ein bisschen Aufschluss. Und als Illustration, welcher wildgewordene Verstaatlicher - anders kann man diese Aussage nicht auffassen - drückte es so aus:
Manche gehen für den Profit eiskalt über Leichen und es wird einfach zu gedreht - so geschehen in Hallein, wo gestern durch die Schließung der Papierfabrik 500 Leute auf die Straße gesetzt worden sind.
Unsere Losung muss deshalb lauten 'Arbeitsstellen statt Kündigungswellen'. Und dafür muss die Politik auch investieren.

HC Strache, für den ökonomische Vernunft ohnehin eher in die Kathegorie der unerwünschten Fremdartigkeiten gehört. Aber dass Strache die ÖIAG mit Pleitefirmen füllen möchte, darauf wäre ich selbst in meinen absonderlichsten Träumen jetzt nicht gekommen. Vernunft gehört halt nicht zu seiner österreichischen Kultur.
Betriebsschließungen sind nicht gut. Dennoch die Welt ist kein Freilichtmuseum. Wenn das Unternehmen Wert ist weitergeführt zu werden, so sollte sich ein Investor finden der es übernimmt, oder die Belegschaft selber. So günstig wie jetzt gibt es das Unternehmen nie wieder. Wenn sich keiner findet, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass die Weitführung des Unternehmens längerfristig gesellschaftlich vorteilhaft wäre. Steuergelder kann man besser einsetzen als Betriebe mit Verlust weiterzuführen. Ja, warum sind wir nicht in der Star Trek Ökonomie, in der Replikatoren das ökonomische Problem zum Großteil gelöst haben.

Aber es gibt noch andere schöne Beispiele dafür dass sich die Extremisten und Utopisten in Argumentationslinien sehr ähneln. Nachdem ich diesen Kommentar auf den Kommentar von Henry Kaufman in der Financial Times zufällig gelesen habe, weiss ich dass die Argumentationsmuster der extremen Libertären und der extremen Linken irgendwie ähnlich sind, wenn man sie auf das Scheitern des Marktes in der gegenwärtige Krise oder auf das Scheitern der Planwirtschaft in der UdSSR anspricht. Beide male war die Utopie - der wahre ....ismus - nicht verwirklicht worden.

Nonanet. Weil in einer unvollständgen Welt Utopien nur Landkarten für einen Weg sein können.

* Mein Ergebnis: Links & liberal wenn ich mich anstrenge wirtschaftspolitisch rechts dazustehen.
Economic Left/Right: -0.25
Social Libertarian/Authoritarian: -3.74

Samstag, 2. Mai 2009

Boring Banking in der großen Depression

Nachdem einige Kommentatoren (insbesondere Paul Krugman) ein zurück zum "boring banking" gefordert haben & ich diese Idee eigentlich gut finde, wäre es einmal angezeigt anzuschauen wie normale Banken und Investmentbanken in der USA von der Großen Depression betroffen waren.

Die USA stellen dabei ein interessantes Beispiel dar, weil mit der Verschärfung des Glass-Steagall-Acts 1933 die bis dahin in den USA vorherrschenden Universalbanken per Gesetz aufgelöst wurden und sich als Geschäfts- oder Investmentbanken neu definieren mussten. Dies betraf aber nur einige wenige der großen Banken. Die meisten Banken waren ohnehin nur Geschäftsbanken ohne Investmentaktivität.

Daniel Gros hat auf VOX-EU einen hochinteressanten Beitrag, der diese Situation beleuchtet. Der Beitrag zeigt, dass "boring banking" viel robuster ist als allgemein angenommen und dass vor allem jener Teil des Finanzsektors der mit Investmentbanking und Trading in Zusammenhang steht durch die große Depression besonders getroffen wurde. Dies legt zwei Dinge nahe: Eine Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanking wie durch den Glass-Steagall-Act könnte das Banksystem noch robuster machen und vielleicht müssen wir uns um die österreichischen Banken weniger Sorgen machen als angenommen, denn ihre Probleme sind eher "boring" als "fancy".

Doch zurück zum Argument:


Obwohl alle davon sprechen, dass die Bankenkrise in den USA die große Depression mitverursacht hat zeigt Gros, dass
a) die meisten Bankinsolvenzen durch eine hohe Insolvenzquote für die Einleger gekennzeichnet waren.
b) die Zahl der Bankinsolvenzen zwar hoch war, aber dadurch, dass die Zahl der Banken viel größer war heute, der Effekt der Bankinsolvenzen ungefähr 4% aller Depositen betroffen hat. Daher wurde in der Folge die FDIC gegründet, welche eine Einlagensicherung bereitstellt.
c) die meisten Geschäftsbanken in der großen Depression profitabel waren.

Besonders letzteres legt nahe, dass das Bankensystem doch stabiler war als oft angenommen.
Figure 1. Profits in US during the 1930s (before tax as % of GDP)

Wie Fig. 1 zeigt haben sich die Profite der Geschäftsbanken in der Finanzkrise zwar um 40 % reduziert, allerdings sind die meisten Banken profitabel geblieben. Im Gegensatz dazu hat die Realwirtschaft zwischen 1931 und 1933 aggregiert erhebliche Verluste geschrieben ebenso wie der Finanzsektor ohne Banken zwischen 1930 und 1935. Dies zeigt, dass auch in der Großen Depression nicht primär die Geschäftsbanken sondern andere Finanzaktivitäten die mit dem Kapitalmarkt im Zusammenhang stehen gelitten haben. Wie Gros ebenfalls zeigen die Muster der Profite, dass "boring banking" bis 2007 eine relativ konstante Profitentwicklung hatte, der Anstrieg der Profite im Finanzsektor bis dahin sei im Wesentlichen auf Investmentbankaktivitäten und Trading zurückzuführen, die mark-to-market bilanzieren und dadurch nichtrealisierte Gewinne als Gewinne ausweisen.

Die heutigen Kreitabschreibungen werden weltweit auf 5,1 % des Kreditvolumens geschätzt. Laut Gros war die Situation in der großen Depression nicht sehr viel schwerer. Auch die heutige Krise ist eher eine Krise des Kapitalmarkts als eine Krise des "boring bankings". In Universalbanken kann aber der die Tätigkeit des "boring bankings" durch Investmentbanking beeinträchtigt werden. Daher schlägt Gros vor in Zukunft Geschäftsbanken und Investmentbanken voneinander zu trennen:

The resilience of “normal” banking operations to a recession or even a depression strengthens the case for a separation of commercial and investment banking activities. The classic banking operations of deposit-taking and lending tend to remain profitable even under stressed conditions. But this classic function of banking would not be such a cause of concern today if the investment banking arms of banks had not gotten into trouble by investing in “toxic” assets. At present, the authorities in both the US and Europe have little choice but to make up for the losses on “legacy” assets and wait for banks to earn back their capital. But to prevent future crises of this type, policymakers should make sure that losses from investment banking arms cannot impair commercial banking operations.

Freitag, 1. Mai 2009

Credit Default Swaps und Insolvenzen

Gillian Tett schreibt in der Financial Times darüber wie Morgan Stanley die größte kasachische Bank BTE in die teilweise Zahlungsunfähigkeit getrieben hat (hat tip Edward Harrison Credit Writedowns). Mit der Finanzkrise ist auch der kasachische Bankensektor ins Taumeln geraten. Die größte Bank BTE wurde unter staatliche Verwaltung gestellt, versprach aber ihre Anleihen und Kredite zu bedienen. Nach einigen Monaten haben aber Morgan Stanley und einige andere Banken ihre Kredite Fällig gestellt. Warum sollte Morgan Stanley dies tun. Bei einer Insolvenz wären die Veruste größer, als wenn BTE versuchen würde ihre Kredite und Anleihen zu bedienen.

Wie Tett schreibt ist ein Schlüssel, daß Morgan Stanley credit default swaps über BTA abgeschlossen hat und Morgan Stanley die International Swaps and Derivatives Association formal um die Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens für die CDS über BTA gebeten hat. Es wird spekuliert, dass Morgan Stanley absichtlich die Zahlungsunfähigkeit von BTA provoziert habe, weil sie damit über die CDS einen Nettogewinn erzielen konnten.

Würden CDS nicht existieren, würde Morgan Stanley wahrscheinlich einen Verlust mit ihrem Kredit geschrieben haben und BTA noch existieren. Mit CDS könnte es sein, dass Morgan Stanley pari aussteigt oder sogar einen Gewinn macht. Die Kosten tragen die Kasachen und die Aussteller der CDS Derivate, denn diese tragen das Kreditrisiko. Kaum jemand weiss wer dieses trägt.

Für die Insolvenzen von Unternehmen auf die CDS ausgestellt wurden bedeutet dies, dass die Interessen der Kreditoren nicht eindeutig sind. Normalerweise haben Kreditoren jedes Interesse eine Insolvenz zu vermeiden. Mit CDS muss das nicht so sein. Kreditoren können Unternehmen in den Konkurs treiben, weil sie versichert sind. Damit könnte unnotwendiger Wertvernichtung eine große Tür geöffnet sein. Darüberhinaus könnte die Insolvenz Finanzmarktakteure treffen, die mit dem Kreditrisiko kaum etwas auf dem Hut haben. Investmentbanken und Hedge Funds haben jede Menge CDS auf verschiedenste Unternehmen und Banken geschrieben. Tett schreibt, dass dies bedeuten könnte, dass BTA nur ein Vorgeschmack dafür sein könnte, was in Zukunft auch in den USA und Europa passieren könnte:

What is playing out at BTA, in other words, is merely a foretaste of what awaits part of the Western corporate scene too. Call it, if you like, the new face of financial globalisation, albeit one that is unlikely to look quite as funny as those Borat jokes, as companies and investors finally wake up to the implications of this deceptive new credit world.

Edward Harrison von Credit Writedowns meint, dass dies bei GM und Chrysler CDS auch eine Rolle spielen könnte:
If bond holders are getting screwed, you know the companies who guaranteed credit default swaps (CDS) are not going to be very happy here. Question: are bond holders playing chicken because they have insurance? If so, you can consider the CDS writers another negotiating party that did not get a seat at the table and are going to be left holding the bag - a reason to want some major changes in how the CDS market is run.
Jetzt wird klar warum Warren Buffet derivate wie CDS 2002 als weapons of mass destruction bezeichnet hat:
Unless derivatives contracts are collateralized or guaranteed, their ultimate value also depends on the creditworthiness of the counterparties to them. In the meantime, though, before a contract is settled, the counterparties record profits and losses—often huge in amount—in their current earnings statements without so much as a penny changing hands. The range of derivatives contracts is limited only by the imagination of man (or sometimes, so it seems, madmen).
Mehr demnächst auf dem CDS Kanal.
UPDATE: Willem Buiter macht sich auch Gedanken dazu.