Montag, 6. April 2009

Mittelständische Steuern

In dem neuesten Supermarkt geht es um die Steuerreform und die böse Umverteilung: Umverteilung om Österreich: Hurra, wir werden entlastet! Was mich wunderte war die einseitige Anzeige des Finanzminister(ium)s einige Seiten vorher - wo ich mir dachte geht man so mit Steuergeldern um? Ich will keine Anzeigen von Ministerien. Und dann der Supermarkt. Geht man so mit Anzeigenkunden um? Das spricht für die Presse.
Aber zurück zu Schellhorn. Ein spannendes Thema ich auch viel abgewinnen kann. Auch meine Steuern zu um einiges zu hoch. Aber dennoch finde ich wieder Haare in der Suppe.
Ich hasse den Ausdruck Mittelstand. Er klingt nach Mittelklasse meint aber Oberklasse. Laut Schellhorn gehöre ich auch zum Mittelstand. Nur dachte ich bisher, dass das Unternehmen mit bis zu 2000 Beschäftigten sind. Aber das ist in Deutschland. Hier ist Österreich. Welcome to the Sta(e)nd(e)staat.
Starten wir in der Mitte:
Wer bekommt das Geld? Nun ja, der Schwerpunkt der Entlastung liegt einmal mehr bei den Beziehern „niedriger Einkommen“: Arbeitnehmer, die weniger als 16.870 Euro brutto im Jahr verdienen, werden rückwirkend mit 1. Jänner steuerfrei gestellt. Das bedeutet, dass heuer 2,7 Millionen erwerbstätige Österreicher keinen Cent ihrer Einkommen an den Fiskus abführen. Bei 5,9 Millionen Steuerpflichtigen wird es nicht mehr lange dauern, bis das Bezahlen von Einkommensteuern zum Minderheitenprogramm wird. Demokratiepolitisch ein nicht unspannendes Experiment: Wie wird wohl eine nicht steuerzahlende Mehrheit angesichts chronisch leerer Staatskassen über eine höhere Belastung der vermeintlich wohlhabenden Minderheit befinden?

Das ist die Diktatur der Mehrheit, das demokratische Prinzip. Ökonomisch ineffizient. Aber in der Demokratie bestimmt der Medianwähler.
Ich bin froh darüber, aber es wundert mich als Ökonom schon ein bisschen, dass die "Leit" so deppert und nicht rational sind. Warum sind die Grenzsteuersätze für Leute die mehr als 200.000 Euro verdienen nicht auf 70 % statt auf 50 %? Liegt es vielleicht daran dass einige Politiker soviel verdienen? Schellhorn sagt nein.
Noch dazu, da sich dieses System bestens zu bewähren scheint. Kein Politiker würde heute auf die Idee kommen, jene bevorzugt zu entlasten, die auch tatsächlich die schwersten Lasten tragen. Etwa jene 7,5 Prozent der unselbstständig Erwerbstätigen, die es schaffen, ihren Arbeitgebern mehr als 50.000 Euro brutto im Jahr abzuringen. Diese 450.000 Menschen zahlen immerhin 45 Prozent aller Lohnsteuern. Jene drei Prozent unselbstständig Erwerbstätiger, die über 70.000 Euro brutto verdienen, stehen für 27 Prozent der entrichteten Lohnsteuern. Womit 170.000 Spitzenverdiener in etwa so viel Geld in den Staatssäckel überweisen wie 1,3 Millionen Durchschnittsverdiener zusammen.
Allerdings gehört jeder Parlamentarier zu dieser Mittelklasse äh -stand. Und ich dachte naiverweise der Mittelstand wäre die Mittelklasse. No - es ist die Oberschicht. Und wenn wir es uns disaggregierter anschauen müssen wir deutsche Daten hernehmen. Unter der Annahme, dass Deutschland nicht so unterschiedlich ist wie Österreich kann man auf Daten zur Einkommenssteuer von Corneo, Giacomo, Bach, Stefan and Steiner, Viktor,Top Incomes and Top Taxes in Germany(January 2006). CESifo Working Paper No. 1641 zurückgreifen. Was sagen die Daten für Deutschland:

Ca. 50 % der Steuern wird von den top 10 % der Einkommensbezieher bezahlt und ca. 22 % von den top 1 %. Wo bleibt da der Mittelstand. der ist sicher nicht bei zwischen 50 % und 80 %? Denn diese Gruppe bezahlte 17.2 % im Jahr 1998. Und glauben Sie mir die kalte Progression ist nicht so schnell und brutal um dieses Bild zu verändern. Und keine Steuerreform in AT oder DE hat massiv die Progression erhöht. Wenn jemand ausgeblutet wird, sind das die Reichen: 290 Haushalte (=0.001% der Steuerzahler) bezahlten 1998 1.6 % der Steuern. Ganz ehrlich wer verblutet da: Julius Meinl Jr., die großen Bankdirektoren.

Heftige Umverteilung. Eine derart heftige Umverteilung gehört zu den Grundbausteinen eines europäischen Wohlfahrtsstaates. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich Gutverdiener auch nach der jüngsten Entlastung weiter zu den Ausgebeuteten zählen dürfen. Wer heute 30.000 netto im Jahr verdient, wird zwar mit rund 670 Euro entlastet, hat zuvor aber 31.313,76 Euro(!) an den Sozialstaat abgeliefert. Bei 40.000 Euro netto im Jahr sind es 42.873,19 Euro. Der Staat fordert mehr ein, als er lässt. Kaum jemand nimmt davon Notiz, weil der schlaue Sozialstaat einen erheblichen Teil der von ihm beanspruchten Steuern und Abgaben von den Arbeitgebern abführen lässt. Diese Summen scheinen auf keinem Gehaltszettel auf – legalisierte Verschleierung auf höchstem Niveau.
Heftige Umverteilung von wo wohin? Ich denke dass mit einer effizienten Umverteilung sich einiges einsparen liese. Die steuerliche Absetzbarkeit für Kinderbetreuung kommt der Billaverkäuferin nicht zu gute. Warum? Weil sie keine Steuern zahlt. Und wenn die Pensionsversicherung und Sozialversicherung mitgezählt werden, dann sprechen wir von Umverteilung in die Zunkunft nicht notwendigerweise zwischen Personen von oben nach unten. Aber Schellhorn hat recht, Arbeitgeberabgaben sind Blödsinn. Und der Idee statt Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge nur mehr Arbeitnehmerbeiträge zu haben kann ich viel abgewinnen. Denn dann kann eine Diskussion über Einsparpotentiale starten.
Die steuerliche Zweiklassengesellschaft gehört nicht nur zur fiskalpolitischen Leitplanke der Linken, sie ist längst politischer Wille aller Parteien. Wenn einer Hälfte der Bevölkerung die gesamte Last geschultert wird, während die andere Hälfte keine Steuern mehr bezahlt, nennt man das in Österreich „sozial gerecht“.
Jetzt ist da wieder eine Hälfte. Also ist doch der Mittelwert oder Median die Grenze? Ich verstehe das nicht.
Um zu erkennen, ob das tatsächlich fair oder womöglich sogar das genaue Gegenteil davon ist, müsste man freilich wissen, wie lange jemand im Jahr arbeiten muss, um 16.870 Euro brutto zu verdienen. Eine Frage, mit der sich der Staat nicht aufhält. Für ihn ist es irrelevant, ob jemand für 38 Stunden in der Woche zur Arbeit geht, um auf 16.870 Euro brutto im Jahr zu kommen, oder ob diese Summe in nur zehn Stunden pro Woche verdient wird. Steuerlich werden beide Fälle gleich behandelt, obwohl sich der Stundenlohn um den Faktor vier unterscheidet.
Na kumm. Des ist jetzt a Bledsinn. Steuern auf Stundenlohn oder aufs Einkommen? Was tun mit unbezahlten Überstunden? Und dann gibts ja noch die Mehrwertsteuern. Ist Leistung hackeln oder eine gute Idee haben. Da bin ich eher bei Schumpeter als bei Marx. Eine gute Innovation bringt mehr Geld als dumpfes Hackeln mit der Hackn und das ist richtig so, denn der Hackler schwitzt zwar mehr bringt aber weniger ökonomische Leistung als der Innovator. Oder sollen wir Steuern nach Kalorienverbrauch zahlen?

Und ich dachte Schellhorn sei für Kopfsteuern. Denn eine vernüftige Reduktion für die Mittelschicht lässt sich ja nichteinmal mit einer Flat Tax machen, denn eine solche Flat Tax sieht in der Regel einen Freibetrag vor, der die Steuer progressiv macht. Und der Freibetrag ermöglicht das was Schellhorn kritisiert, nämlich einen großen Teil der potentiellen Steuerzahler vom Steuerzahlen zu entbinden.
Die „größte Entlastung in der Geschichte der Zweiten Republik“ ist also nicht viel mehr als eine bescheidene Korrektur jahrzehntelang gelebter Ungereimtheiten. Sie gibt den Bürgern lediglich einen kleinen Teil der kalten Progression zurück. Am Grundproblem ändert sich nichts: Österreichs Steuersystem ist nach wie vor undurchsichtig, leistungsfeindlich und in höchstem Maße ungerecht. Der Staat greift derart massiv in die Taschen der arbeitenden Bevölkerung, dass ein Vermögensaufbau aus eigener Kraft de facto nicht mehr möglich ist. Österreichs Steuersystem blutet den viel gerühmten Mittelstand aus, der schon so geschwächt ist, dass er alles mit sich geschehen lässt.
Ausbluten tut im Mittelstand keiner, ausser er hat nicht verstanden dass man bei der Steuererklärung das angibt was man verdient hat, nicht das was man verdienen möchte. Aber solchen wäre nicht zu helfen.

Die Diagnose ist teilweise richtig aber das Grundproblem ist ein anderes. Wenn man möchte dass die Steuern sinken, müssen die Ausgaben senken. So einfach ist das. Das tut weh und das will/kann/möchte in Österreich kaum keiner. Dann müssen Leistungen gekappt werden. Steuern zahlen wie in der Slovakei aber ein soziales Netz wie in Schweden. Das spielt sich nicht.

1 Kommentar:

  1. Anonym12:34

    Ohne eine Werturteil über Verteilung an sich abgeben zu wollen, möchte ich anmerken, dass ich dachte Marxsche Arbeitswertlehre sei dezent überholt. Wobei es eigentlich sogar unfair wäre, die Schellhornsche Idee der "Quasi"- Stundenlohnbesteuerung dem Studieren Marxscher Klassiker anzulasten. Denn wer das Kapital etwas genauer liest, weiß, dass sogar Karl Marx sich einsichtig zeigt, was höhere Renditen für bessere Ausbildung betrifft. Sowohl für Marx als auch übrigens für Smith ist eindeutig, dass eine seltene Fertigkeit auch höher entlohnt werden muss.
    Deshalb kann dieser ökonomische Ausrutscher der Besteuerung des Stundenlohns, welche so ganz leise und nebenbei auf jeglichen Anreizensystem zu Leistung und Innovation der von Schellhorn so hoch gelobten Marktwirtschaft gehörig herumtrampeln würde, nur schnell abgehakt und vergessen werden. Wenn man sich schon auf die Spuren vergangener ökonomischer Schwergewichte begibt, sollte man sie ein zweites Mal lesen, um sicher zu gehen, es richtig verstanden zu haben.
    Das absolut witzigste an der ganzen Geschichte ist, dass ein Erliberaler sich selbst weise wähnt, wenn er ein Argument des "Vaters" nahezu sämtlicher linker ökonomischer Bewegungen für seine Belange aufgreift. Blöd nur, wenn man das Argument selbst nicht versteht.
    Noch einmal kurz zusammengefasst: (folgendes gilt nur für Besteuerung) Wenn ich nach Marxscher Arbeitswertlehre besteuere, dann darf ich nicht darauf vergessen, dass auch Marx Niveauunterschiede aufgrund der Seltenheit bestimmter Fertigkeiten und der Ausbildungsdauer kannte. Und wenn man dann die Stundenlohnbesteuerung um diese Niveaueffekte korrigiert, unterscheidet sich das Ergebnis nicht wesentlich vom Status Quo. D. h. Herr Schellhorn tritt entweder für eine Zerstörung von Anreizsystemen oder für eine Steuerreform ohne Wirkung ein.

    AntwortenLöschen