Dienstag, 7. Oktober 2014

Können Strukturreformen die Zone bretten?

Viele Beobachter argumentieren, dass Strukturreformen notwendig sind um die Eurozone langfristig zu stabilisieren. Die EZB und die Bundesbank  (1,2,3), die EU Kommission, Hans-Werner Sinn (1,2) oder auch Raiffeisen Analysten (etc. etc.) führen die schwache Entwicklung in der Eurozone auf fehlende tiefgreifende Strukturreformen zurück.

Dem ist was abzugewinnen. Aber es wird selten klar gesagt, was für Reformen gemeint sind. Normalerweise Liberalisierung von Märkten, Flexibilisierung von Arbeitsmärkten, Effizienz der öffentlichen Verwaltung, Abbau von Staatsschulden und stärkere Fokussierung auf Bildung und Forschung. Natürlich, wer möchte nicht mehr Wettbewerb, effiziente Arbeitsmärkte ohne Insider-Outsider Probleme, eine schnelle und unparteiische öffentliche Verwaltung und geringe Staatsschulden.

Die Frage die sich aber dennoch stellt ist ob Strukturreformen nicht ein Projekt sind, welches erst in der langen Frist die erhofften Erträge (Wirtschaftswachstum) abwirft aber in der kurzen Frist dazu führt, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Die Argumentation, dass es notwendig sei jetzt den Gürtel enger zu schnallen, damit morgen die Konjunktur wieder anspringen kann, wird von Gegnern gern als Liquidationismus bezeichnet. Keine Hände-Weg Liquidationismus wie in den 30er Jahren, sondern moderner Reform-Liquidationismus. Leider übersehen solche Argumente allzu oft, dass die selbst angebotsorientierte Auslöser zu Nachfragekrisen führen.

Wenn es sich aber in Europa nicht primär um eine Angebotskrise handelt, sondern um eine Nachfragekrise, wie mittlerweile die meisten Ökonomen denken? Sind Strukturreformen wirklich die richtige Medizin zum jetzigen Zeitpunkt? Viele nehmen das nicht in Bedacht, sondern argumentieren isoliert auf Basis von Prinzipien (wie Georg Erber zur Frage ob Deutschland Infrastrukturinvestitionen vornehmen soll). Prinzipien sind wichtig. Allerdings, kann zuviel Ordoarithmetik auch den Blick auf die Wirkung von Strukturreformen in Krisensituationen verstellen.

Es gibt dazu einige gegenteilige Meinungen: Coen Teulings argumentierte überzeugend, dass Strukturreformen und Konsoldierungspakete politökonomisch Substitute und nicht Komplemente sind, denn Strukturreformen führen nicht nur zu Gewinnern sondern auch zu Verlierern und Konsolidierungspakete sind nicht expansiv (1,2,3). Eggertson, Ferrero und Raffo argumentieren auf Basis eines theoretischen Modells, dass Strukturreformen in Krisensituationen zu Erwartungen einer fortgesetzten Deflation, höheren realen Zinssätzen und einer Schwächung der aggregierten Nachfrage führen kann. Gali und Monacelli dass Lohnflexibilität unter fixen Wechselkursen (wie in der Eurozone) zu aggregierten Wohlfahrtsverlusten führen kann. Branstetter, Taylor und Venancio zeigen für Portugal, dass die aggregierten Effekte von Marktliberalisierung sehr klein sein können.

Es gibt also mehr als berechtigte Fragezeichen hinter der Vorstellung, dass allein Strukturreformen die Zone retten können  und dass die Defizite bei der Wettbewerbsfähigkeit in der Zone allein auf Arbeitsmarktflexibilität und Marktzutrittsbarrieren zurückführbar sind ....

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