Montag, 4. Mai 2009

Geldpolitik IV: Quantitative Lockerung

Was machen die Notenbanken in einer Situation in der sie die Kontrolle über ihr liebstes Instrument den kurzfristigen Zinssatz de facto aufgegeben haben weil er nahe bei 0 % ist und somit nicht wirklich weiter gesenkt werden kann?

Wie bereits erwähnt ist in diesem Fall die Geldpolitik nicht wirkungslos. Ben Bernanke meinte dazu bereits 2002, dass im Falle einer Wirtschaftskrise ein Zinssatz nahe von 0 nicht bedeutet, dass die Geldpolitik expansiv sein muss:
In fact, when prices are falling, the real interest rate may be high and monetary policy tight, despite a nominal interest rate at or near zero.
Die alte keynesianische Position war, dass in einer Liquidtätsfalle Geldpolitik keine Auswirkung hat. Im Gegensatz dazu sagen moderne Geldpolitiker und -theoretiker, dass selbst wenn die Vergrößerung des gegenwärtigen Geldangebots keinen Effekt hat, Geldpolitik wirksam sein kann. Wieder Ben Bernanke:
So what then might the Fed do if its target interest rate, the overnight federal funds rate, fell to zero? One relatively straightforward extension of current procedures would be to try to stimulate spending by lowering rates further out along the Treasury term structure--that is, rates on government bonds of longer maturities.
Willkommen in der Welt der unkonventionellen Geldpolitik und ihren Missverständnissen. Oft wird von quantitativer Lockerung geredet, wenn über die Geldpolitik der Federal Reserve gesprochen wird. Ben Bernanke spricht lieber von Kreditlockerung (credit easing).
Darüber hinaus kann unkonventionelle Geldpolitik auch bei positiven Zinssätzen notwendig sein, wenn der Transitionsmechanismus der Geldpolitik nicht ausreichend funktioniert.

Der IMF hat da eine interessante Dar- und Aufstellung im Gobal Financial Stability Report. Beginnen wir mal mit den Auswirkungen. Die folgende Darstellung zeigt die Aktivseite ausgewählter Zentralbankenbilanzen (August 2008 =100, Quelle IMF). Insbesondere Schweden, Großbritannien und die USA haben ihre Aktivseite stark ausgeweitet - das heisst mehr als verdoppelt.

Weshalb wurde die Bilanz in so kurzer Zeit so aufgeblasen? Die Antwort ist primär um Liquidität und Kreditangebot zu stützen. Was haben die Zentralbanken gemacht?

Die sogenannten unkonventionellen Maßnahmen sind Instrumente die direkt die Kosten und Verfügbarkeit der Finanzierung für Banken, Haushalte und den nicht-finanziellen Unternehmenssektors beeinflussen ohne über den Zinskanal zu laufen. Finanzierungsquellen, die dabei beeinflusst werden, können Zentralbankgeld, Kredite, Anleihen oder sogar Eigenkapital sein. Weil die Finanzierungskosten in der Regel über verschiedene Aufschläge auf den kurzfristigen Interbankenzinssatz bestimmt sind, den die Zinspolitik der Notenbanken steuert, können unkonventionelle Maßnahmen als Versuche gesehen werden die Kostenunterschiede (spreads) zwischen verschiedenen Formen der Fremdfinanzierung zu beeinflussen.

Zunächst haben Notenbanken dafür gesorgt, dass genügend Liquidität insbesondere in den Geldmärkten zur Verfügung steht. Dies konnte durch teilweise durch Standardmaßnahmen erreicht werden. In Offenmarktgeschäften wurden der qualifizierte Kollateral, die Teilnehmer und die Bedingungen angepasst. Dies haben – abhängig von ihren gängigen operativen Politikimplementierungen – alle Notenbanken gemacht. Dabei ging es nicht nur darum inländisches Geld zur Verfügung zu stellen, sondern auch ausländischee Währungen. Dabei haben die Nationalbanken ihre Rolle als Kreditgeber der letzten Zuflucht eingenommen, wenngleich das Ausmaß neu war.

Als die Auswirkungen der Krise auf die Kreditmärkte klar wurden, haben einige Notenbanken, vor allem jene der USA, Großbritanniens und Japans, versucht direkt bestimmte Kreditmärkte – insbesondere jene für kurzfristige Unternehmenskredite und Hypothekarkredite - zu beeinflussen. Dies konnte zum Beispiel durch den Kauf von spezifischen Wertpapieren wie verbrieften Hypotekarkrediten geschehen. Ziel dieser Maßnahme war es die Zinsstruktur in diesen Märkten zu beeinflussen. Weil diese Maßnahmen quasi-fiskalische Wirkung haben, wurden diese Maßnahmen in enger Abstimmung mit den jeweiligen Finanzministerien durchgeführt.

Eng in Zusammen damit steht das was eigentlich als quantitative Lockerung bezeichnet wird und dessen Ziel es ist die Zentralbankgeldmenge zu erhöhen um generell den Zugang von Haushalten und Unternehmen zu Kredit zu gewährleisten und längerfristige Zinssätze zu reduzieren und Liquidität zu gewährleisten. Dies geschieht in der Regel durch den Ankauf von Wertpapieren (i.d.R. Staatspapiere oder staatlich garantierten Papieren) von Banken. Die Idee dahinter ist, dass die Zentralbank entweder die Inflationserwartungen höher schraubt bzw. glaubwürdig versichert den kurzfristigen Zinssatz längerfristig niedrig zu halten. In beiden Fällen würde die Erwartungen in Richtung eines niedrigeren realen langfristigen Zinssatzes beeinflusst. Quantitative Lockerung kann man als Anwerfen der Notenpresse beschreiben.

Folgende Tabelle aus dem Gobal Financial Stability Report des IMF gibt einen kurzen Überblick über Maßnahmen die verschiedene Zentralbanken getroffen haben:



Ein Problem mit der quantitativen Lockerung ist, dass die Banken mitspielen müssen, damit die Liquidität an die Haushalte und Unternehmen weitergegeben wird. Banken könnten das Geld auch als Buffer verwenden, damit bliebe das Geld aber im Bankensystem und die Wirkung wäre gleich null. In marktbasieren Finanzsystemen wird eher „credit easing“ als strikte quantitative Lockerung wirksam sein, in bankbasierten Systemen eher quantitative Lockerung.

Ein Problem mit der unkonventionellen Geldpolitik ist, dass Kreditoren und Gläubiger mitspielen müssen. Welche Probleme können damit verbunden sein:

a) Durch die direkte Steuerung könnten ineffiziente Kreditärkte auf Kosten effizienterer Alternativen gefördert werden, welches langfristig das Wachstum negativ beeinflussen kann.
b) Die Bilanz der Notenbanken wird illiquider und mit riskanten Wertpapieren belastet, dies könnte die Flexibliltät, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Notenbanken beeinträchtigen.
c) Quantitative Lockerung hat nur dann einen Effekt auf die Inflationserwartungen, wenn die Lockerung als permanent angesehen wird. Weil die quantitative Lockerung der Japanischen Nationalbank nur temporär war, wird argumentiert hatte diese in Japan keinen Effekt auf die Inflationserwartungen.
d) Es stellt sich die Frage ob Inflationserwartungen langfristig erhöht werden können, ohne dass die Nominalzinsen mitziehen.
e) Inflationsgefahren hängen zentral vom Ausstiegsszenario ab. Ein Überschießen der Inflaitonserwartungen könnte zwar erwünscht sein, aber die Glaubwürdigkeit der Nationalbank beschädigen, insbesondere wenn ihre Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist.

Dies bedeutet, dass die Kommunikation der geldpolitischen Strategie bei unkonventionellen Maßnahmen noch wichtiger ist als bei der normalen Geldpolitik.

Jedem weitergehend Interessierten sei Vortrag von Lorenzo Bini Simaghi (pdf, html )empfohlen. Ein must-read.


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