Sonntag, 14. Oktober 2012

Reichensteuern und das Verhalten der Besteuerten

Ich bin oft von der Naivität der Reichensteuerdiskussion überrascht. Insbesondere zwei Punkte überraschen mich immer wieder. Zum einen werden vehement Steuersenkungen gefordert, aber nie gesagt, wo die Ausgaben eingespart werden sollen. Auf der anderen Seite wird über die Steuererträge von Reichensteuern geredet, um den Sozialstaat sichern. (Auf eine Reduktion des Gewichts der  Staatsschuldentransaktionen ca. 5.3% des Budgets wird dabei ein bisschen weniger geschaut, wäre aber auch ein gutes Argument ;) )

Dabei wird zu oft von der Vorstellung ausgegangen, dass der Effekt der Erhöhung der Steuern einfach durch durch Nachschlagen bei der Steuerstatistik feststellbar ist, ohne dass das Verhalten der Steuerzahler berücksichtigt werden muss.

Um ein Beispiel zu geben: Nehmen wir an die Reichensteuer wird als zusätzliche Einkommenssteuer ab einen Einkommen von 200.000 Euro eingehoben. (200.000 Euro wurde ausgewählt weil die integrierte Lohn- und Einkommenssteuer 2009 nach Einkommensstufen 200.000 als höchste Einkommensstufe ausweist. Die 1 Mio. Steuer wäre daher nicht darstellbar ...  Weder noch ist als Vorschlag zu verstehen ;) )

Wieviel zusätzliche Steuereinnahmen würde das bringen? Pi mal Daumen (unter Vernachlässigung der Unterschiede zwischen Einkommen und versteuerbaren Einkommen und wenn ich jetzt nicht einem groben Überlegungsfehler aufsitze) ergibt sich eine Steuerbemessungsgrundlage für die 55% von ca. 2.820 Mio Euro (für die Genauen 6.240 Mio Einkommen und 17097 Fälle). Da schon 50% Steuern bezahlt wurden, würden die zusätzlichen Einnahmen (5%) ca. 141 Mio Euro ausmachen.

Ist das realistisch? Nicht ganz. Verhaltensänderungen werden stattfinden. Ein paar "Reiche" werden ihren Steuersitz verlegen, andere vermehrt als bisher nach legalen Steuerschlupflöchern Ausschau halten, ein bisschen mehr Schwarzarbeit könnte auch drinnen sein und eigentlich illegale Steuerschlupflöcher werden noch attraktiver. Wie groß könnten diese Effekte sein? Jeder der genannten Gründe für sich allein wird nicht allzuviel Auswirkung haben. Aber zusammen können sie die zusätzlichen Steuereinnahmen negativ beeinflussen. Es ist nur menschlich zu glauben, dass eine Steuererhöhung zu Verhaltensänderungen führt.

Stephen Gordon zeigt überschlagsmäßig mittels eines ziemlich groben dynamic scoring, dass für eine geplante Anhebung des Spitzensteuersatzes in Quebec, die zusätzlichen Einnahmen zwischen 76% (Elastizität 0,2) und 56% (Elastizität 0,4)  der (oben berechneten) statisch geschätzten zusätzlichen Steuereinnahmen ausmachen. Die Elastizität gibt wieder, wie die Steuerzahler mit dem Steuerpflichtigen mit ihrem steuerpflichtigen Einkommen verfahren. Was bedeutet dies für die skizzierte Reichensteuer? Statt 141 Mio würden 107 Mio Euro (Elastizität von 0.2) oder gar nur 73 Mio (Elastizität 0,4) eingenommen.

Wie realistisch diese Übung ist weiss ich nicht. Die Elastizität könnten empirisch festgestellt werden. Allerdings glaube ich nicht, dass diese Elastizitäten unveränderliche Parameter sind. Je nach Einkommen, Art der Steueränderung und erwarteten Gegenleistung könnte diese unterschiedlich sein. Aber ich kann mir vorstellen, dass relevante Elastizität in Österreich irgendwo bei einem Wert zwischen 0,2 und 0,4 liegt. Je höher das Einkommen desto mehr Möglichkeiten ...

Ob jemand Reichensteuern oder zusätzliche Vermögenssteuern mag oder nicht, die skizzierten Verhaltensveränderungen  für moralisch legitim oder unsolidarisch hält ist egal. Sie müssen jedenfalls berücksichtigt werden. Das widerspricht nicht (1).

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