Sonntag, 6. März 2011

In Grabers Falle

Karl Graber meint im Spectrum die Krise sei auf die geistigen Ideen des Interventionismus von Keynes (keynesianischer Grundkonsens) zurückzuführen. Kurz zusammengefasst ist die These, dass die zu expansive Geldpolitik in den USA und Europa zur Krise geführt hätte. Man dürfe sich nicht wundern, wenn die Geldexpansion zu Fehlallokationen geführt hat. Dabei beruft sich Karl Graber auf die Konjunkturtheorie der österreichischen Schule. Nicht laxe Regulierung der Finanzmärkte sondern expansive Geldpolitik sei die Ursache der Krise gewesen.

Ich bin nicht überzeugt.

Zwar war die Geldpolitik in den USA kurz vor der Krise locker - ex post. Es ist nicht ganz eindeutig, wie das zeitgerecht festgestellt werden soll. Es gibt mehr als eine Taylor rule (vergleiche), die mehreindeutige Antworten geben. Für Europa kann eine exzessiv Lockere Geldpolitik vor der Krise eher ausgeschlossen werden. Darüberhinaus sind die Krisen in Island, Irland und Spanien keine fiskalpolitischen Krisen sondern primär Krisen des Bankensystems.

Die österreichische Konjunkturzyklustheorie in ihrer volkstümlichen Variante argumentiert, dass leichtes Geld zu Fehlallokationen und in der folge zu Krisen führt. Das ist gegeben der sonstigen Einschätzung der Unternehmer im Rahmen dieser Schule etwas rätselhalft, wie auch Bryan Kaplan meint:

Why does Rothbard think businessmen are so incompetent at forecasting government policy? He credits them with entrepreneurial foresight about all market-generated conditions, but curiously finds them unable to forecast government policy, or even to avoid falling prey to simple accounting illusions generated by inflation and deflation... Particularly in interventionist economies, it would seem that natural selection would weed out businesspeople with such a gigantic blind spot.
Die Irrationalität der Unternehmer ist ein Kennzeichen dafür, dass Geld nicht neutral ist. John Quiggin argumentiert
There’s an obvious implication about the (sub)optimality of market outcomes here, though more obvious to a generation of economists for whom arguments about rational expectations are second nature than it was 100 years ago. If investors correctly anticipate that a decline in interest rates will be temporary, they won’t evaluate long-term investments on the basis of current rates. So, the Austrian story requires either a failure of rational expectations, or a capital market failure that means that individuals rationally choose to make ‘bad’ investments on the assumption that someone else will bear the cost. And if either of these conditions apply, there’s no reason to think that market outcomes will be optimal in general.
Karl Graber verwechselt einiges, wenn er auf die Expansion der Geldmenge im Zuge der Krise hinweist. Diese Expansion der Bilanzen und monetären Basis war im wesentlichen ein Bankenhilfspaket um ein Krachen des Bankensystems zu verhindern. Spätestens nach Lehman Brothers war der Interbankenhandel zusammengebrochen. Um Bank-runs zu verhindern wurde auch quantitativ gelockert. Bis heute hat sich der Interbankenmarkt nicht wirklich erholt, auch weil die Fazilitäten und Überschussreserven für die Banken attraktiv sind. Die einzigen die Strafzinsen einführten um die Kreditvergabe anzuregen waren die schwedische Nationalbank. Es ist damit gelungen eine umfassende Bankenkrise abzuwenden. Jetzt zu behaupten, dass dies zu Inflation und einer neuen Krise führen wird ist seltsam. Weil der Ertrinkende ein bisschen Brackwasser geschluckt hat, ist der Retter nicht an der folgenden Bauchverstimmung schuld.

Doch noch schräger erscheint mir, dass Grabers Argumentationline, wenn es um die Verurteilung des "keynesianischen Grundkonsens" geht. Zuerst ist FED mit ihrer Zinspolitik Schuld an der Krise und der Inflation und dann plötzlich geht es plötzlich nur mehr um Fiskalpolitik. Dabei ist die Beschreibung des Problems des "keynesianischen Grundkonsens" prinzipiell richtig. Der keynesianische Konsens hat Kosten. Keine Frage. Eine allzu aktivistische Fiskalpolitik in relativen Ruhephasen ist mit einer Krise des Fiskalstaats verbunden.
Allerdings nicht in den letzten Jahren. Die folgende Grafik (leider keine aktuellere gefunden) zeigt die Konjukturzyklen in der "keynesianischen Phase" und in der vorkeynesianischen Phase für die USA. Es fällt auf, dass Boom und Bust in der vorkeynesianischen Phase regelmäßiger sind und der Anfang der Reihe viel grauer ist als das Ende der Reihe. Dies kann strukturelle Ursachen haben, aber augenscheinlich war die Phase des des "klassischen Konsens" mit höheren Konjunkturkosten verbunden.



Wenn Graber schreibt:

Es ist also keine Übertreibung, den „ Keynesianischen Grundkonsens“ für eine Chimäre und für die eigentliche Ursache der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise zu halten, weil die darauf gründende Konjunkturpolitik am falschen Ende ansetzt, also das Pferd vom Schwanz her aufzäumt. Das Gegenteil wäre richtig, was etwa die Wiener (oder Österreichische) Schule der Nationalökonomie schon vor 80 Jahren mit Bestimmtheit wusste. Bei der Produktion von Gütern und Leistungen, also auf der Angebotsseite, muss angesetzt werden, wenn das Auf und Ab der Wirtschaftszyklen, das unvermeidlich ist, klein gehalten und das Entstehen und Zerplatzen großer Blasen (Krisen also) verhindert werden soll, denn „ wennWaren keine Käufer und Arbeiter keine Arbeit finden, dann kann das nur einen Grund haben: Die geforderten Preise und Löhne sind zu hoch. Wer seine Ware oder Arbeit verkaufen will, muss seine Ansprüche so lange ermäßigen, bis er einen Abnehmer gefunden hat. Das ist das Mittel, durch das der Markt die Produktion in die Bahnen lenkt, auf denen sie den Bedürfnissen der Verbraucher am besten zu dienen vermag.“ (Ludwig von Mises, 1940)
hat er mich endgültig verloren. In Österreich & Deutschland war die Krise in erster Linie eine Krise der exportorientierten Industrie, hervorgerufen von einem Rückgang des Welthandels. Wenn Deutschland und auch Österreich jetzt wieder so gut dastehen, hat das nichts mit Änderungen der produzierten Waren, Lohnsenkungen oder Preissenkungen zu tun, sondern damit, das die internationale Konjunktur angesprungen ist. Hätte man auf Kurzarbeit, staatliche Kreditgarantien, Änderung des Insolvenzgesetzes etc. verzichten sollen?

Grabers Vorschlag die Körperschaftssteuern auf die Hälfte zu senken und für KMU entsprechende Steuergutschriften einzuführten kann ich wenig abgewinnen. Wenn Steuersenkungen, dann für alle symmetrisch. Denn so wie vorgeschlagen, ist das nur Fiskalpolitik - halt in die andere Richtung. Derselbe Mechanismus den Graber beim "keynesianischen Grundkonsens" kritisiert gilt auch für eine solche Maßnahme. Somit ist die Argumentation eine primär ideologische. Überdies eignet sie sich wegen der Richtungslosigkeit der Anreize nur wenig als Stimulus. Es gibt wenig Anhaltspunkte dafür, dass niedrigere Steuern einen Strukturwandel beschleunigen oder die "animal spirits" befeuern.* Die meisten Unternehmen sind nicht unternehmerisch in einem Schumpeter'schen Sinn (Innovation), ja nichteinmal in einem Kirzner'schen Sinn (Arbitrage). Billiger für die Allgemeinheit sind da garantierte Kredite, die zudem nur an Unternehmen vergeben werden die Investitionen durchführen.

Nächste Woche gibt es eine Antwort von Stephan Schulmeister. Ich glaube aber nicht, dass diese mir besser gefallen wird.


* Damit habe ich mich wohl endgültig als "keynesianischer Grundtyp" geoutet.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen