Samstag, 6. Oktober 2012

Gerontokratie, Inflation und restriktive Geldpolitik

Noah Smith hat eine Post über ein Papier von Jim Bullard, Carlos Garriga, and Christopher Waller über Demographie und Inflation, welche ein den Einfluss der Demographie auf die Geldpolitik analysieren. Geldpolitik heisst Inflation in diesem Kontext.

Wie Noah Smith schreibt, gibt es starke Unterschiede zwischen Ökonomen und der Bevölkerung, wenn es um Inflation geht. Ökonomen fokusieren in der Regel auf die Rolle von Inflation im Rahmen von Stabilisierungspolitik und betonen die Wachstumskosten von Inflation. Die Bevölkerung (und die Presse) denkt bei bei Inflation vor allem an fallende Reallöhne und Kaufkraft. Dies ist eine Form der Geldillusion und wird auch durch mantrahaftes Wiederholen nicht zutreffender (1,2). Allerdings hat Inflation Verteilungseffekte, die in der Diskussion um Inflation zu wenig berücksichtigt werden. Inflation führt zu einer Umverteilung des Nominalvermögens, welches auch reale Effekte hat.

Wer verliert durch Inflation? Jene die nominal Nettogläubiger sind, über nicht inflationsindizierte Vermögensanlagen verfügen und einen relativ geringen Einkommensanteil aus Löhnen und Gewinnen beziehen. Auf deutsch: Sparer. Sparer sind in der Regel ältere Menschen. Doepke und Schneider (Inflation and the Redistribution of Nominal Wealth, Journal of Political Economy, December 2006)  haben dies für die USA analysiert. Ihre Ergebnisse bestätigen die Intuition:



1. Die Alten verlieren substantiell auf Kosten der Jungen.
2. Die Jungen in mittleren Einkommensklassen mit erheblichen Schulden gewinnen am meisten.
3. Die Armen gewinnen und verlieren wenig - aber wieder gewinnen die Jungen und verlieren die Alten.

Dies hat  politökonomische Implikationen. Wenn ältere von Inflation getroffen werden, während Junge gewinnen, so wird diese auch Einfluss auf die Politik haben. Genau das ist die Idee hinter dem Papier von Jim Bullard, Carlos Garriga, and Christopher Waller. Das Modell ist ein wenig unrealistisch, wie die meisten Modelle, weil es dazu dienen die grundlegende Überlegung herauszuarbeiten.

Die grundlegende Idee ist (und so absurd ist dies gerade in einer Postdemokratie nicht), dass die Regierung ihren Wählern entgegen kommen möchte. Bei einem Übergewicht der Altern (Gerontokratie) wird die Inflation niedrig sein, bei einem Baby Boom wird die Inflation steigern. Die Altersgruppe verwenden den politischen Prozess um ihre Interessen durchzusetzen. Wer schreit in Österreich am meisten über Inflationskompensation: die Pensionistenvertreter Kohl und Blecha.

Bullard, Garriga und Waller motivieren ihr Papier mit zwei Grafiken für die USA und Japan, welche die groben Muster von Inflation und Alterstrukturen gegenüberstellen. Diese Grafiken lassen einen Zusammenhang erahnen:





Noah Smith ist ein bisschen skeptisch und meint, dass die alten eine gewisse politische Kontrolle über die Notenbanken ausüben müssen. Es könnte allerdings plausibel sein:
Now, for this to be what's really going on, old people must exert some sort of control over the Fed. We typically think of the Fed as independent, apolitical, and technocratic - not the type of institution that would be swayed by the selfish desires of one cohort of the population to extract rents from its descendants. But who knows; maybe the legendary political strength of the elderly somehow filters through to the brain of the Fed chairman.
And if that's true, it means that elderly countries will have a much harder time fighting recessions. If old people's desire for the redistributive benefits of low inflation overwhelms the need for the Fed to boost growth, then we're going to have a much tougher time ending our current stagnation...to say nothing of Japan, where hard money is much more of a cult even than here in the States, and which has been mired in near-deflation for decades.
So next time you throw up your hands and wonder why the Fed isn't doing more to boost the economy, remember Jim Bullard's paper...it might be all Grandma and Grandpa's fault!
Nun, Notenbanker wollen auch populär sein. Massiv gegen die öffentliche Meinung vorzugehen könnte auch die Unabhängigkeit der Nationalbank gefährden. Daher kann die Altersstruktur sehr wohl die Geldpolitik beeinflussen. Allerdings gilt: Die Idee ist plausibel, die Evidenz aber dünn.

Aber selbst wenn die Geldpolitik davon unbeeinflusst bleibt hat die Diskussion einen gewissen Erklärungswert. Die negative Einstellung in der Bevölkerung zur Inflation hat viel mit Missverständnissen zu tun (meine These) ist aber auch Ausdruck des latenten Verteilungskonflikts zwischen Alt und Jung. Dieser Konflikt findet nicht nur bei Pensionsreformen sondern auch in der geldpolitischen Arena statt. 

Für die europäische Krise bedeutet dies, demographische Überalterung ist ein weiteres politiökonomisches Argument gegen ein höheres Inflationsziel der EZB. Wenn ich mir die österreichische Diskussion zur Inflation und Inflationsabgeltung bei den Pensionen ansehe, ist das plausibel.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen