Freitag, 5. Oktober 2012

und eine weitere post zu Inflation

Sorry guys (you know who you are), aber da konnte ich jetzt nicht widerstehen und nicht eine weitere Post zur Inflation schreiben. Die Inflation kommt schreibt Josef Urschitz in "Mit dem Geldsack zu Bäcker". Josef Urschitz ist sich sicher und findet das schlecht. Ich bin mir da überhaupt nicht sicher und finde das eigentlich bedenklich (1, 2, 3).

Josef Urschitz schreibt:
a) dass die Inflation höher ist als es die offiziellen Zahlen zagen.
b) dass der größte Teil der vergrößerten Geldmenge (M3) zu Asset Inflation führt.
c) dass das amerikanische Konzept der Kerninflation Blödsinn sei.


Zu a) schlage ich als Komplement die Lektüre des Beitrags Why people think inflation is high, despite headline inflation being the lowest since the mid-1950s von Scott Sumner vor. Scott Sumner argumentiert, dass Menschen

1. Zwischen Veränderungsraten (Inflation) und Niveaus (Preisniveau) schwer unterscheiden können. Ableitungen sind schwer ...

2. nominale Lebenshaltungskosten und reale Lebensstandards verwechseln (10% Inflation auf alles inkl. Entlohnung führt zu 10% höheren nominalen Lebenshaltungskosten aber zu keiner Veränderung des realen Lebensstandards), und

3. Annehmen, dass 'Inflation' nur auf Preissteigerungen von Güter/Dienstleistungen zutrifft, die nicht teurer werden sollen ... im Extremfall Benzin aber nicht die eigene Entlohnung. Lohnsteigerungen sind zum Teil Inflationsabgeltungen.

In den USA gibt es Shadow Stats, die eine alternative Inflationsrate berechnen und damit in die Medien kommen. Allerdings ist das Unsinn (1,2,3,4,5). Warum. Weil sonst die Marktteilnehmer selbst bei hohen Zinsen Geld verlieren würden ... ein negativer Return auf fast alle Anlagen (ausser griechischen Staatsanleihen) ist nicht glaubwürdig. Zwei Grafiken von Doug Short zeigen warum:



I find this "alternate Real" GDP to be interesting (in a bizarre sort of way), but I personally see no credibility in the hyper-negative GDP it produces. On the contrary, I see this chart as further evidence that the alternate CPI, despite its popular among many critics of government data, is a misguided concept.
Also auf gut deutsch: ein absurdes Konzept.

Zu b) ... Die EZB erhöhte sehr wohl die Geldmenge. Allerdings muss das nicht zu Inflation führen. Warum? Weil ein Teil der Geldmengenerhöhung sterilisiert wurde. Sterilisiert heisst, dass die Geldmengenerhöhung durch andere Aktionen der Notenbank wieder rückgängig gemacht wird. Wie kann das die EZB? Zum Beispiel, indem sie die normalen Kredite der Notenbank an die Geschäftsbanken zurückfährt. Wenn das nicht reichen sollte, könnte die EZB auch eigene verzinste Sterilisierungsanleihen ausgeben um Liquidität abzuschöpfen (vgl. Dullien und Joebges). Urschitz bezweifelt dass die Sterilisierung gelingen kann und schreibt:
Dabei wurden die Märkte in der Eurozone von Beginn an unglaublich geflutet. Die sogenannte Geldmenge „M3“ (da sind umlaufendes Bargeld, Bankeinlagen, Geldmarktpapiere etc. enthalten) hat sich seit der Bargeldeinführung Anfang 2002 auf knapp 9970 Mrd. Euro annähernd verdoppelt.
Klingt extrem. Ist es aber nicht. Wenn die Geldmenge konstant stabil bleiben soll und die Zielinflation 2% beträgt und das reale Wachstum 2,5%, dann muss in de, Zeitraum die Geldmenge ohnehin um 63% steigen (wenn die Umlaufgeschwindigkeit konstant bleibt). Darüberhinaus sind auch noch die Slowakei, Slowenien, Estland und Zypern der Eurozone beigetreten. Wenn es dazu noch Länder gibt, in welchen der Euro eine wichtige Rolle als Zahlungsmittel spielt, oder sich die Umlaufgeschwindigkeit reduziert hat (??) dann ist eine Verdoppelung nicht mehr so erschreckend .... Es könnte ja sein dass die Geldpolitik der EZB zu restriktiv ist, wie das Scott Sumner für die USA behauptet.


Von einer realen Asset-Inflation ist auch wenig zu sehen, ausser beim Gold. Weltweit stagnieren die Hauspreise seit der Krise (von Österreich auf die Welt zu schließen ist etwas übertrieben). Die Aktienmärkte bewegen sich tendenziell auch eher seitwärts (real betrachtet). Das einzige was Steigerungen gesehen hat sind die Renditen für südeuropäische Staatsanleihen. Diese Preise sind aber eher nicht wegen übergroßer Nachfrage angezogen ....

zu c) die Kerninflation. Urschitz schreibt:
Denn der Warenkorb ist eine Art Durchschnittswert, von dem das Konsumverhalten des Einzelnen oft beträchtlich abweicht. Regierungen sind jedenfalls bemüht, diesen Index klein zu halten. Die Krönung dieses Versuchs des Kleinrechnens ist die sogenannte „Kerninflation“ in den USA: Hier werden ausgerechnet die derzeit am stärksten steigenden Produktgruppen – Nahrungsmittel und Öl – aus der eigentlichen Inflationsrate herausgerechnet. Bezahlt werden müssen sie von den solcherart mit niedrigen Inflationsraten beglückten Konsumenten trotzdem.
Inflationspolitisch gefährlich ist die Lohn-Preis-Spirale. Wenn Inflation durch Lohnsteigerungen entsteht, die dann wieder durch Lohnsteigerungen ausgeglichen werden sollen befinden wir uns auf einem schlechten Weg. Hier muss die Notenbank eingreifen. Bei einer Inflation, die durch ein Nichtanpassen des weltweiten Angebots an die weltweite Nachfrage entsteht (z.b. Öl oder Nahrungsmittel) kann die Notenbank nicht überzeugend reagieren (in my view). China mit realen Wachstumsraten um die 7% bis 9% p.a. fragt immer mehr Öl nach. In der Tat ist die Entwicklung des Ölpreis prozyklisch. Nahrungsmittelpreise reagieren auf Missernten und erhöhte Nachfrage. Auf solche Inflation kann eine einzelne Notenbank nicht reagieren, außer sie kann die Weltkonjunktur fundamental beeinflussen (=abwürgen). Diese Preise sind relativ volatil und haben wenig Information für die Notenbanker, daher ist die Kerninflation für die Geldpolitik ein nützliches Konzept.

Dass der Konsument die Inflation zahlen muss, ist klar. Teilweise kann er ausweichen und andere Güter/Dienstleistungen kaufen, teilweise weniger. Aber in der Regel werden allgemeine Preissteigerungen bei den Lohnrunden abgegolten oder durch Preiserhöhungen selbst ausgeglichen (bei Selbständigen). Wenn nicht, und wenn die Löhne nicht der Produktivitätsentwicklung folgen, ist das in meinen Augen eher ein Problem der Verteilung. Verteilungsprobleme durch restriktive Geldpolitik lösen zu wollen, ist wohl eher Unfug.






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