Samstag, 22. September 2012

Bürokratisierung oder bang for the buck

In der Presse ist ein Artikel erschienen in welchem geschrieben wird, dass Experten von einer übermäßigen Bürokratisierung der Forschungsförderung warnen. Aua. Forschung ist ja ein wichtiger Motor des Wirtschaftswachstums. Jetzt soll da auch die Bürokratie Einzug halten.

Aber just wait a second. Da geht es um Steuergelder. Und eigentlich um steuerliche Förderung.
Wie die Presse schreibt:


Kern der Verordnung, deren Begutachtungsfrist in der kommenden Woche abläuft, ist eine starke Verbürokratisierung der indirekten Förderung. Bisher konnten Unternehmen einen Teil ihrer Forschungsausgaben relativ unkompliziert steuerlich geltend machen. Überprüft wurde dann im Nachhinein (was allerdings auch das Risiko beinhaltet, dass das Projekt nachträglich abgelehnt wird). In Anspruch genommen wurde diese Möglichkeit vor allem von kleineren Unternehmen, die nicht über den Apparat verfügen, der für die bürokratische Abwicklung über die je zur Hälfte dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium gehörende Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) notwendig ist.
Künftig soll die gesamte Abwicklung über die FFG erfolgen, die indirekte Förderung über die steuerliche Geltendmachung wird, wenn der vorliegende Entwurf realisiert wird, deutlich erschwert, sagen Kritiker. 
Also so wie ich das verstehe, bedeutet das, dass der Inhalt der Forschungsprojekte geprüft wird. Forschungsförderung nur für förderungswürdige Forschung. Klingt nicht schlecht, wenn Mitnahmeeffekte eingedämmt werden. Denn staatliche Förderungen sollen entweder umverteilen (Transfers) oder Anreize setzen. In beiden Fällen gilt, je größer der Hebel ist, desto besser. Reine Mitnahmeeffekte sollen weitgehend vermieden werden.

Unter Mitnahmeeffekt versteht man die Inanspruchnahme von Subventionen oder anderer finanzieller Anreize als Belohnung für ein Verhalten, das auch ohne den zusätzlichen Anreiz stattgefunden hätte (vgl. Wikipedia). Wenn ein Unternehmen ohne Förderung genau dasselbe gemacht hätten, ist die Förderung wirkungslos, da sie keinen zusätzlichen Effekt hatte. In Zeiten der Diskussion um Limits der staatlichen Verschuldung ist Wirkungsorientierung kein schlechtes Schlagwort.

Österreich ist ja bei der Forschungsfinanzierung recht grosszügig:

Österreich hat einen hohen staatlichen Finanzierungsanteil der Unternehmensförderung (Abbildung aus dem OECD Science and Technology Scoreboard 2011). Etwa 9% der Unternehmensforschung wird durch direkte Förderprogramme (zumeist bei der FFG - Förschungsförderungsgesellschaft) finanziert. Die steuerliche Förderung schlägt mit weiteren ca. 8-9% zu Buche. Größzügiger waren da eigentlich nur Kanada, Belgien, Slowenien, Korea, Frankreich, die USA und Russland.
Die Superperformer (hohe Unternehmensforschung im Verhältnis zum BIP) Schweiz und Schweden haben keine steuerliche Förderungen.


Wie die zweite Grafik zeigt, ist die Forschungsförderung in Österreich relativ unselektiv. Kein anderes Land hat eine so breite Innovationsförderung wie Österreich. Die Abbildung zeigt den Anteil der geförderten Unternehmen zu allen innovativen Unternehmen. Das legt allerdings auch nahe, dass auch einiges an mittelmäßiger Forschung gefördert wird.

OK. Und welche Experten schlagen Alarm. Im Artikel finde ich nur einen. (seltsam einer = Mehrzahl. Ich dachte immer deutsch wäre eine klare Sprache. ????).

Der Wiener Wirtschaftsprüfer Alexander Leitgeb (ITS) vermutet hinter dieser vor allem von der SPÖ forcierten Änderung nicht zuletzt politische Motive: Die Zentralisierung bei der FFG ermögliche es wahlkämpfenden Politikern, per Schecküberreichung als Gönner aufzutreten. Offiziell begründet wird die Änderung damit, dass die Einführung des neuen Prüfmechanismus Missbrauch verhindere und die Forschungsförderung treffsicherer mache.
Leitgeb begrüßt das ausdrücklich, meint aber, dass die Neuregelung in der vorliegenden Form weit über das Ziel hinausschieße und den Unternehmen die Inanspruchnahme der Forschungsförderung wegen zahlreicher neu aufgebauter Hürden deutlich erschweren werde. Dies treffe vor allem kleinere Unternehmen. So ist in den neuen Bestimmungen enthalten, dass Antragsteller nur noch 20 ihrer Projekte (limitiert auf wenige tausend Zeichen) beschreiben dürfen, womit komplexe Inhalte nicht mehr transportierbar seien. Alternativ können Einzelprojekte zu „Forschungsschwerpunkten" zusammengefasst werden, wobei die Finanz aber wiederum nur Einzelprojekte beurteilt. Dies bringe „enorme Probleme".Das in der Verordnung vorgeschriebene Verfahren, das eigentlich Missbrauch beseitigen soll, lasse zudem Rechtssicherheit für die Antragsteller vermissen und werde durch Mehrfachbegutachtungen und Rückverweisen durch das Finanzamt an die FGG enorm in die Länge gezogen.
Herr Leitgeb ist Steuerberater. Haben Steuerberater Ahnung von der Forschungspolitik? Wissen sie etwas von der Wirkung der Förderung auf zusätzliche Forschungsausgaben? Kann sein. Oder vertreten Steuerberater ihre Klienten?

Es könnte ja noch besser sein. Es könnte nämlich sein, dass Herr Leitgeb für seine Zunft spricht. Das neue Verfahren könnte die steuerliche Förderung für Steuerberater verkomplizieren. Steuerberater kennen sich im Steuerrecht aus. Allerdings ist wohl die Förderwürdigkeit von Forschungsprojekten nicht im notwendigen Detail im Steuerrecht geregelt. Für jede Technologie einen State of the Art per Gesetz zu definieren das wäre  wohl der polit-bürokratische Overkill.



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