Samstag, 6. Dezember 2008

Sollen alle Keynesianer sein?

Thomas Apolte sagt NEIN und beklagt sich darüber dass jetzt alle zu Keynesianern werden.

Um so mehr sollte es aber zur Vorsicht mahnen angesichts der schillernden Phantasie vieler Politiker, welche offenbar unmittelbar aufblüht, wenn die Gelegenheit erst einmal günstig erscheint und sich die Menschen an Kategorien und Summen gewöhnt haben, die ihnen noch wenige Monate zuvor den Atem verschlagen hätten. Sicher, die Finanzkrise ist von solchen Ausmaßen, dass Regierungen und Zentralbanken nicht umhinkommen, mit astronomischen Summen zu handeln. Gerade daher scheint es aber wichtig zu sein, dabei nicht alle Dämme einzureißen und deutlich zu machen, dass dies eine Ausnahme ist und bleibt.
Das klingt ja noch ganz vernünftig und auch aus Österreich äusserst nachvollziehbar. Allerdings ist die Phantasie der meisten Politiker doch eher eine begrenzte. Doch dann der für mich beste Satz ist im Text:
Immer mehr Ökonomen bekommen offenbar kalte Füße angesichts der Dramatik des Abschwungs, in dem sich die Weltwirtschaft befindet.
Pragmatismus zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass man die Position verändert, wenn sich die Umstände ändern. D.h. wir haben es mit einer ideologischen Postition zu tun.
Aber haben die deutschen Ökonomen fiskalische Ausgabenprogramme bis vor kurzem nicht mit erdrückender Mehrheit als grundsätzlich untauglich eingestuft? Sicher, diese Krise könnte etwas Besonderes sein, aber kann etwas Untaugliches allein dadurch tauglich werden, dass die Lage dramatisch ist?
In meinen Augen ja. Ein Reissen eines gesunden Zahns ist Wahnsinn, aber ein Reissen eines vollkommen verfaulten und vereiterten Zahns ist eine zutiefst vernünftige Handlung.
Der Appell an die "Linientreue" der verehrten Kollegen, die ja auch den Hamburger Appell mitunterzeichnet haben scheint aus einer pragmatischen Perspektive zumindest etwas schräg. Besonders wenn Apolte schreibt:

Wie wäre es umgekehrt, wenn die Politik ihre Ansätze zur Stabilisierung der Finanzmärkte weiter verfolgte, wenn sie durch Bürgschaften, Kapitalspritzen und auch durch vorübergehende Beteiligungen den Kollaps des Finanzsystems (weiterhin) verhinderte sowie durch eine ebenso behutsame wie beherzte Politik die Regeln des Finanzsystems reformierte; wenn sie sich darüber hinaus aber durch eine solide und langfristig tragfähige Fiskalpolitik empfehlen würde, die auf die automatischen Stabilisatoren der Potenzialorientierung vertraut und im Übrigen der Versuchung zu punktuellen Eingriffen und Subventionen widerstehen würde; wenn sie schließlich den Stabilitätspakt sowie die Beihilferegeln und andere Schranken der Politik nicht infrage stellen, sondern diese im Gegenteil ausdrücklich und demonstrativ respektieren würde?

Dein Defizitfalke erster Ordnung. Das Schreckgespenst der Verschuldung, das Misstrauen in Politiker, und das Primat der Strukturpolitik das den deutschen Ordnungstheoretikern so eigen ist. Apolte bringt folgende Argumente gegen Deficit Spending:

(1) Die knebelnde Schuldenlast hindert die zukünftige Handlungsfähigkeit des Staates und führt langfristig zu einer Konsumschwäche. Lezteres ist mir aus einer komparativen Perspektive nicht ganz klar. (2) Erwartungen sind zentral und die Erwartungen über zukünftige Seuererhöhungen werden den Aufschwung verhindern. (3) Der Vertrauensverlust in das Finanzsystem kann nicht durch Deficit-Spending umgekehrt werden. (4) Es gibt kaum Beispiele für erfolgreiches Deficit-Spending.

Also: Wenn wir wenig darüber wissen ob es helfen kann, dann sollen wir es nicht tun. Das Argument Hayeks: Wirtschaftspolitik ist Anmaßung des Wissens. Ob wir allerdings so wenig wissen kann bezweifelt werden.

Letztlich ist Konjunkurpolitik nicht Strukturpolitik und bei der Finanzkrise handelt es sich um eine eher epische Krise, die wir schon länger nicht gesehen haben (1,2,3,4,5 und 6). Es geht darum die mit dem Sog nach unten verbundenen Erwartungshaltungen zu stabilisieren. Wenn das moderate Defizite mit sich bringt ok. Von Apoltes Schreckgespenst sind wir aber noch weit entfernt. Fast jeder Ökonom der eine Nachfragestimulation durch Defizite vertritt ist der Meinung, dass der ausserordentliche Stimulus temporär sein und moral hazard minimiert werden muss.

Bis jetzt sind allerdings erst am Anfang der Krise, wenn mein Bauch zuverlässig Punktschätzungen abgeben kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen