Im Artikel gibt es so gut wie keine ökonomische Argumentation. Dass Franz Schellhorn die AK, die SPÖ und die Linken überhaupt nicht mag ist ja schon klar, aber die Konstruktionen in diesem Supermarkt sind doch zu abenteuerlich um nicht einen Kommentar herauszufordern. Schellhorn schreibt:
Da kann es schon mal vorkommen, dass die Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zwei Wochen vor dem SPÖ-Parteitag eine Studie vorlegt, deren Ergebnis die Herzen der Genossen höherschlagen lässt. Die Vermögen seien hierzulande nämlich extrem ungleich verteilt, urteilt die OeNB.Stimmt, aber Wesentliches ist dabei weggelassen. Zum einen sind die Studienergebnisse detailiert in Geldpolitik und Wirtschaft abgdruckt (pdf). Das Projekt als solches ist ein Projekt der EZB (Homepage). Warum macht die EZB ein solches Projekt? Weil in der EZB Linke sitzen?
Nein es geht darum Vermögenseffekte für den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik eine Rolle spielen können und real- und finanzwirtschaftliche Shocks durch Vermögenseffekte massiv beeinflusst werden. Auf der EZB Homepage steht:
Das sind für Nationalbanken wichtige Informationen, würde ich mal unbedarft behaupten.
- understanding both individual behaviour and developments in aggregate variables;
- evaluating the impact of shocks, policies and institutional changes, both for households and for different institutional structures;
- better understanding the implications of shocks for macroeconomic variables;
- building and calibrating realistic economic models incorporating heterogeneous agents;
- gaining important insights into issues such as monetary policy transmission and financial stability.
Meine Schlussfolgerung ist dass Schellhorn an der Vermögensverteilung nicht interessiert ist. Ich unterstelle mal, dass Schellhorn diese Informationen als gefährlich erachtet. DieWähler könnten ja auf die Idee kommen, dass Reichensteuern oder Vermögenssteuern sie nicht betreffen würden. Wenn die Leute wissen, wie das Einkommen verteilt ist, könnte es sein, dass sie nicht liberal wählen. Und das ist eigentlich eine zutiefst unliberale Gesinnung.
Das Motto des Artikels ist: Erschieße den Übermittler der Nachrichten, wenn die Nachrichten nicht als falsch deklariert werden können. Im ganzen Supermarkt steht nichts über methodische Probleme. Ist das Sample unrepräsentativ, zu klein, falsch ausgewählt? Kein Wort dazu. Was Schellhorn kritisiert steht schon im Untertitel des Supermarkts:
Rechtzeitig vor dem Parteitag der SPÖ inszenieren AK und OeNB eine Kampagne gegen ungerecht verteilte Vermögen. Wie das Leben so spielt.und weiter unten:
Gezielte Desinformation. Nun kann man natürlich für Vermögensteuern eintreten. Aber muss man dann unterschlagen, dass die Einkünfte aus Vermögen voll besteuert werden und dass hierzulande einzig die Substanz weitgehend unbelastet bleibt?Ich nenne so was Verschwörungstheorie und Tendenzjournalismus. Geldpolitik und Wirtschaft erscheint 4 mal im Jahr. Dass eine Veröffentlichung mit dem Parteitag der SPÖ in Verbindung steht, ist daher eher in die Kathegorie absurd einzuordnen. Ich denke, der Beitrag hätte immer erscheinen können, es hätte immer Aufregung darum gegeben.
Dieser Artikel regt mich auf, weil es ein Versuch ist Forschungsinstitutionen mundtot zu machen. Wenn sich die Herausgeber von Geldpolitik und Wirtschaft in der ÖNB um parteipolitischen Klimbim Gedanken machen müssen (wie das Schellhorn nur zu oft gern tut), dann ist es mit der Qualität der Artikel dahin und gleich mit der Unabhängigkeit einer der wenigen unabhängigen Institutionen in Österreich.
Und der Artikel empört mich, weil ich denke, dass Franz Schellhorn es besser weiss (oder überschätze ich da ...) und weil er sich gern gegen die Parteibuchwirtschaft ausspricht. Aber diesmal leistet er Vorschub, die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Studie wird allein durch die parteipolitische Brille gesehen. Damit trägt er genau zu der Betrachtungsweise bei, die mir in Österreich so oft übel aufstößt: Viel zu oft werden Studien und sogar Fakten allein durch die parteipolitische Brille gesehen. Es scheint kaum die Möglichkeit zu geben, Ideen jenseits der engen und beschränkten Begrifflichkeit der österreichischen Parteienlandschaft zu diskutieren. (Was ich meine sind die trainierten Reflexbewegungen, die auf die a-priori Kathegoriesierung "schwarz/rot/grün/blau/stronach/LIF/kommunistisch" in der Regel folgen.)
Doch damit nicht genug. Schellhorn greift zu zu noch übleren journalistischen Tricks:
Irgendwie lässt sich aber der Verdacht nicht ganz abstreifen, dass es Arbeiterkammer, OeNB und SPÖ nicht so sehr um Steuergerechtigkeit geht, sondern um das dringend zu korrigierende Faktum, dass einige wenige viel mehr haben als die breite Mehrheit. Das könnte man dann aber ganz offen sagen.
Zumal die Vermögensexperten aus ihrem Herzen auch sonst keine Mördergrube machen. So erklärtexxxx(Name gelöscht), einer der führenden Autoren der OeNB-Studie, bei einer Diskussion des Verbands Sozialistischer Studenten an der WU Wien, dass seiner (privaten) Meinung nach Menschen kein Vermögen mehr besitzen sollten, wenn sie ihre irdische Existenz beenden. Entweder haben sie es vorher konsumiert, oder es müsse vergemeinschaftet werden. Im Juni 2009 erklärtexxxxgegenüber Ö1, warum er sich so gegen das Reichsein wendet: „Reiche Menschen bringen in einer Gesellschaft Gesundheitsprobleme.“ Ungleiche Gesellschaften verursachten nämlich Stress, und das sei ungesund.
Wer die Welt so sieht, empfiehlt sich hierzulande eben dafür, mit dem Verfassen offizieller Vermögensstudien betraut zu werden. Woran man wieder erkennt: Im Leben ist nicht alles ein Zufall, was danach aussieht.Die Ergebnisse werden in Zweifel gezogen, jedoch nicht methodisch, sondern weil einer der Autoren sich politisch auf eine Art geäussert hat, die Herrn Schellhorn nicht gefällt. Wenn das die Speerspitze des Liberalismus in Österreich ist, dann weiss ich warum der Liberalismus in Österreich keine Menschen erreicht. Schade. Liberale Ideen sind ja ganz gut, sogar wirtschaftliberale. Und ich dachte immer, dass sich liberaler Journalismus vom Journalismus politischer Extreme und besonders dem Boulevard dadurch unterscheidet, dass Argumente leidenschaftlich aber sachlich diskutiert werden. Auch im Meinungteil von Zeitungen heiligt der Zweck nicht immer die Mittel ...
But wait a moment ... in Deutschland hat es auch eine Studie gegeben. 2007, vom DIW. Und was schreibt das Handelsblatt (nicht wirklich der linken Presse zuordenbar)?
Die Politik tut sich auch deshalb schwer mit dem Thema, weil wir schlicht ziemlich wenig darüber wissen, wie und warum sich die Streuung des Reichtums verändert. Die Deutschen streiten zwar leidenschaftlich gerne – wie andere reiche Länder auch – darüber, ob die Gesellschaft immer ungerechter wird und die Globalisierung daran schuld ist. Doch die Heftigkeit der Diskussion steht in keinem Verhältnis zur Intensität der Forschung.und dort wird der DIW Ökonom Gert Wagner "zitiert":
Das Unwissen (um die Vermögensverteilung) ist deshalb besonders absurd, weil viele politische Schritte ausdrücklich auf „mehr Verteilungsgerechtigkeit“ abzielen. Weil sie die Landkarte der Vermögensverteilung aber nicht kennt, befindet die Politik sich in der Lage eines Piloten, der zum Transatlantikflug nach New York startet, ohne Navigationsinstrumente an Bord zu haben.Na. Dann liegt es eher nicht am liberalen Journalismus sondern eher am österreichischen ... ob diese Erkenntnis beruhigt, das weiss ich jetzt wirklich nicht.
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