Und nach der Lektüre dachte ich mir: Ist Prof. Reuss ein Lakai der deutschen Verlage? Sind seine besten Freunde Verleger oder andere Monopolisten? Reuss schreibt:
Nach einem bestimmten Zeitraum werden die Werke der Urheber gemeinfrei, in Deutschland geschieht das siebzig Jahre nach dem Tod des Autors, Komponisten oder Künstlers. Die Gesellschaft kommt auf diese Weise ebenfalls zu ihrem Recht. Sie muss sich allerdings gedulden. Produktion und Gemeinfreiheit zu nahe aneinander zu rücken, würde zum Zusammenbruch der Produktion führen.Hä! Komische Anreizstrukturen. Die Autoren schreiben nicht für die Kunst, nicht für Ruhm, nicht für die Wissenschaft oder für sich selbst. Sie schreiben für Geld. Basta. Und vor allem auch noch für ihre Enkel, damit sie was zu vererben haben und für ihre Verleger damit diese nachdem die Autoren schon längst tot sind noch immer Rechte verkaufen können. Hat Herr Reuss noch nie was von intrinsischer Motivation gehört? Bei Künstlern? Und letzterem widersprechen Michele Boldrin und David Levine energisch:
It is common to argue that intellectual property in the form of copyright and patent is necessary for the innovation and creation of ideas and inventions such as machines, drugs, computer software, books, music, literature and movies. In fact intellectual property is not like ordinary property at all, but constitutes a government grant of a costly and dangerous private monopoly over ideas. We show through theory and example that intellectual monopoly is not neccesary for innovation and as a practical matter is damaging to growth, prosperity and liberty.Würde vielleicht nicht ganz so weit gehen wie Boldrin und Levine, aber ich bin mir sicher, dass "70 jahre nach dem Tod" auf jedem Fall mehr als 70 Jahre zu lange ist. Denn dann geht es nicht mehr um Anreize sondern allein um Renten und Monopolprofite, welche die gesellschaftliche Wohlfahrt reduzieren.
Welche Evidenz gibt es dafür dass das Urheberrecht Innovation fördert? Knapp gesagt, sehr, sehr wenig. Wieder Boldrin und Levine:
We already examined Scherer’s work on eighteenth and nineteenth century classical music, showing that the adoption of copyright did not increase and probably reduced the output of classical music composers. Moreover, Beginning in 1919, the length of copyright has been continually extended. At the turn of the century it was 28 years and could be extended for another 14. Prior to the Sonny Bono/Mickey Mouse Act of 1998 it was 75 years for works for hire, and the life of the author plus 50 years otherwise, its last major extension having been approved in 1976. So the length of copyright term roughly doubled during the course of the century. If this approximate doubling of the length of copyright encouraged the production of additional literary works, we would expect that the per capita number of literary works registered would have gone up. Apparently economic theory works whereas the theory according to which extending copyright term boosts reativity in the long run, does not. The various copyright extensions have not led to an increase in the output of literary work.
While vigorously defending their “property” the big media corporations are busily grabbing yours. The most recent copyright extension, the Sonny Bono Copyright Term Extension Act of 1998 (CTEA), is the biggest land grab in history. This remarkable piece of legislation not only extended the term of copyright by 20 years for new works but also retroactively to existing works. Copyright increased a hefty 40% in one quick legislative shot. Now, consider any normal economic activity, say: the amount of effort you put in your daily work; try thinking of what would happen if the
monetary payoff from your effort went up of 40% overnight. Our bet is that you would put a lot more effort in your work, and your company would witness a “productivity explosion” taking place at your desk. Did any one notice an explosion of artistic and cultural creations in the USA, during the last seven years? Did artists, writers and musicians begin to migrate in flocks from everywhere else in the world to the USA, to reap the fantastic benefits of the Bono Copyright Extension? Strangely, if this amazing development took place, both the mainstream and underground media seemed to have missed it.
Und auch bei der Forschung irrt Reuss vollkommen, wenn er schreibt:
Eine Forschung etwa, der man diktieren könnte, wo ihre Ergebnisse publiziert werden sollen, ist nicht mehr frei. Die Bezahlung von Wissenschaftlern durch den Staat dient der Ermöglichung allein auf die Sache bezogener und nicht extern gelenkter Erkenntnissuche (weil das auch im Interesse jedes wohlgeordneten Gemeinwesens liegt). Sie kann weder einer Ideologie noch ökonomischen Interessen, noch einem „Geschäftsmodell“ oder Bemühungen um den Ausgleich von Budgetproblemen unterworfen sein.
Dabei ist die Forschung heute genau den "Geschäftsmodellen" unterworfen, wie Eisen und Brown schreiben:
Scientific progress and public welfare would be much better served by a scientific literature that belongs to the public, accessible and usable by anyone, anywhere, without barriers, charges or restrictions. Private ownership and monopoly control of the scientific literature blocks the free flow of scientific knowledge. It prevents independent creative scientists from exploring and developing new ways to integrate and organize this rich but sprawling and fragmented body of knowledge. It is unfair to scientists. It is unfair to the citizens of the world, who have paid for most of the research but are denied its full benefits. And there is absolutely no evidence that private monopoly ownership is the only practical business model.
Academic Publishing hat ein Geschäftsmodell, das vor allem auf Universitätsbibliotheken abgestellt ist. Solche Preise zahlt sonst kein Käufer. Dies gilt für die Medizin, Physik, Biologie, Ökonomie etc. Daher hat sich in der Wissenschaft auch Open Access Bewegung eingestellt.
Heute muss Wissenschaftler bei Verlagen publizieren, die viel Monopolprofite damit machen - die Autoren kriegen nichts oder müssen sogar zahlen - während die Bibliotheken unter den Monopolpreisen stöhnen.
Damit zeigt sich dass Reuss mit seinem Schluss
Jeder Angriff auf die Publikationsfreiheit ist ein Angriff auf den Kern des Urheberrechts. Soweit davon aber mittelbar auch die vom Grundgesetz geschützte Freiheit von Kunst, Forschung und Lehre betroffen ist, sind Anschläge auf die Publikationsfreiheit auch Attacken auf das Grundgesetz und ein Fall für das Verfassungsgericht.allein auf die Juristerei aber nicht wirklich auf wissenschaftliche oder ökonomische Gründe zurückgreifen kann. Monopolprofite und Ausschluss sind mit Freiheit und Marktwirtschaft unvereinbar. Kultur hat nicht primär etwas mit Kulturmanagern, Verlegern und Rechtsanwälten zu tun sondern mit Autoren und Lesern, Komponisten, Musikern und Zuhörern und Wissenschaftlern und Wissenschaftlern. Wenn der technologische Wandel einen Itermediär obsolet macht sinken die Transaktionskosten und steigt die Wohlfahrt. Wenn dann einige übrigbleiben, leisten die etwas was von den Konsumenten honoriert wird. Monopolprofite drücken dies aber nie und nimmer aus.
Zitat: "ich bin mir sicher, dass "70 jahre nach dem Tod" auf jedem Fall mehr als 70 Jahre zu lange ist."
AntwortenLöschenDem würde ich spontan zustimmen. Es schreibt doch keiner ein Buch, damit noch die Enkel daran Geld verdienen. Mit einem sinnvollen Anreizemchanismus hat das nichts zu tun.