Mittwoch, 8. April 2009

NEW oder alter Wein in neuen Flaschen?

Die SPÖ bastelt an einem neuen Wirtschaftsprogramm. Vorab konnte man schon viel darüber lesen und jetzt erst recht. Christian Ortner spekulierte, dass jezt Hugo Chavez SPÖ-Ehrenobmann wird, in der Presse schreibt Oliver Pink von Sozialismus mit uraltem Antlitz und der Standard sieht einen Linksruck in der Wirtschaftspolitik:
Die Eckpfeiler des vom steirischen SPÖ-Chef Franz Voves für die Bundespartei erarbeiteten neuen Wirtschaftskonzeptes NEW (Neue Europäische Wirtschaftspolitik) sind unmissverständlich: Re-Verstaatlichungen von liberalisierten Infrastrukturunternehmen (Telekommunikation, Strom, Gas), Einführung einer Wertschöpfungsabgabe sowie eine grundsätzlich starke staatliche Kontrolle des gesamten Finanz- und Wirtschaftssystems.
Was ist da dran? Ich habe mir das NEW - Sozialdemokratische Überlegungen für eine neue Europäische Wirtschaftspolitik angeschaut. Und man muss Walter Müller im Standard recht geben wenn er schreibt:
Sollte die Sozialdemokratie in ihrem Wirtschaftsverständnis vielleicht der Privatisierung und Liberalisierung huldigen? Hat das irgendjemand erwartet?
Nicht wirklich oder?. Und es war allemal besser, dass Voves und Lacina etc. daran geschrieben haben als wenn Faymann seine Hände im Spiel gehabt hätte. Dann hätte die Zinshausbesitzerfraktion der Sozialdemokraten wieder die eigentlich gute Idee einer vorsichtigen Umverteilung der Steuerlast von Arbeit hin zu Renten vulgo Reichensteuer torpediert.

John Quiggin hat vor kurzem ein Diskussionspapier mit dem Titel An Agenda for social democracy verfasst, das sich ähnlich liest. Leider ist NEW keine Agenda sondern ein Mischung zwischen tagespolitischen populistischen Aktionismus (Bonuszahlungen und europäische Fiskalpolitik) und einer Agenda. Statt zu betonen - wie John Quiggin das macht - dass individuelle Risiken besser kollektiv in einem Sozialstaat abgefedert werden können, steht in NEW primär wieder nur etwas von einer Beschäftigungsgesellschaft. Und bei genauer Lektüre überkommt mich trotz ansprechenden Äusseren ein gewisses 70ies Feeling, trotz einiger Punkte die ich für absolut richtig halte. Was mir fehlt ist ein gewisses Lernen aus dem "Scheitern" der 70er Jahre, das John Quiggin betont.
The failure of economic liberalism does not imply a wholesale return to the ideas and policies of the postwar social democratic era. Social democrats must learn from the mistakes of that era and retain what was valuable in economic liberalism, including a commitment to sound fiscal policy and a rejection of protectionist restrictions on trade in goods and services.
Insgesamt wird von einer "Marktreligiosität" gesprochen ohne gleichzeitig anzudeuten, dass Märkte ein effizientes Allokationsinstrument für viele aber nicht alle Güter und Dienstleistungen sind. Wozu sonst die Forderung nach einem neuen Ordnungspolitischen Rahmen. Hier hätte ein bisschen mehr NEW LABOUR oder OBAMA Rhetorik gut getan. Denn von der von Kommentatoren so hochgejubelten Rückverstaatlichung liest man in NEW weniger als im Text von John Quiggin. Denn
Als „lebensnotwendig“ sind jene Bereiche einzustufen, ohne die das physische Überleben nicht oder nur in menschenunwürdigen Verhältnissen möglich ist. Es ist gerade in diesen Bereichen nicht ausreichend, dass die Menschen Zugang zu Versorgungsunternehmen haben, dort aber zu Marktpreisen einkaufen müssen. Versorgung muss bedeuten, dass lebensnotwendige Mengen zu leistbaren Preisen zur Verfügung stehen. Dies kann auf unterschiedlichste Art und Weise geschehen.

klingt nicht nach Verstaatlichen bis zur Budgetkrise. Das einzige das dabei zu kritisieren ist, ist die pauschale Annahme dass Marktpreise notwenigerweise höher sein müssten als administrierte Kostenpreise öffentlicher Monopole. Dies gilt in strenger Form nur bei natürlichen Monopolen und ungenügender Regulierung derselben. Bei Oligopolen bin ich mir da nicht so sicher. Aber von massiver Rückverstaatlichung ist da nichts zu lesen.

Die Angaben zur Arbeitsmarktpolitik scheinen etwas naiv zu sein in Anbetracht der vergangenen Erfahrungen. Die Versuche in den 60er Jahre höhere Inflation für höhere Beschäftigung in Kauf zu nehmen haben sich letztlich als erfolglos und teuer herausgestellt. Hohe Inflation ging mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit Hand in Hand und es waren verlustreiche Anpassungsprozesse notwendig um die Inflation wieder herunter zu bringen. Von der Flexicurity der skaninavischen Länder sind wir da sehr weit entfernt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es in Schweden private Schulen gibt und die Postämter und die Postzustellung privatisiert wurden. Denn die Schweden haben verstanden, dass es um die Leistungerbringung nicht um Eigentumsverhältnisse geht.

Eine weitere Vorstellung die mir aufstößt ist die "idealisierte" Vorstellung der Politik. Die Idee, dass politische Einflussnahme und öffentliches Eigentum demokratisch seien. Denn letztlich hat politische Einflussnahme weniger mit einer Demokratisierung zu tun als mit der Diktatur des Farbenspiels und Postenschacher, zumindest in Österreich. Umverteilung soll durch das Steuern und Transfers passieren, dafür braucht man keine staatlichen Unternehmen. Regulierung kann das schärfere Instrument sein um die Leistungserbringung zu kontrollieren ohne Gefangener von Partikularinteressen (wie z.B. der Lehrergewerkschaften) zu werden.



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