Samstag, 21. März 2009

Über die Ursachen der gegenwärtigen Krise

Die gegenwärtige Krise ist, das kann man heute schon behaupten, die teuerste Krise seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre und ist ebenfalls eine Weltwirtschaftskrise. Welche ist die zentrale Ursache dieser Krise?

Man kann behaupten, dass der Kapitalismus (oder Marktwirtschaft) inherent krisenanfällig sei. Eine derartige Postition wird auch im ökonomischen Mainstream mittlerweile vertreten. Eine derartige Position bedeutet nichts anderes als, dass Ordnungspolitik und Stabilisierungspolitik nicht allein Marktprozessen überantwortet werden kann. Weil von Journalisten und Volkswirten unterschiedliche Thesen über die wichtigsten Ursachen der Krise vertreten worden sind, ist es notwendig zu identifizieren, was die Krise verursacht hat. Die Kandidaten sind:

1. strukturelle Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen, insbesondere der Fluss von Ersparnissen aus Entwicklungsländern in die USA
2. Geldpolitik in den USA
3. Finanzinnovationen
4. Versäumnisse in der Regulierung von Banken und anderen Finanzmarktakteuren bzw. Finanzprodukten.

Ich setze allein auf Kandidaten 4. Die anderen drei taugen nicht als Hauptschuldige.

Eines nach dem anderen. Michael Dooley und Peter Garber haben eine Post auf Vox EU, die meine Vorurteile bestätigt und für einige Punkte zusätzliche Argumentation liefert. Zu den einzelnen Punkten:

1. strukturelle Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen eignen sich nicht als primäre "Schuldige", weil die Idee, dass "Betrug" und unvorsichtige Kreditvergaben wegen des Zuflusses an ausländischen Kapital in der Höhe von 5 % des US BIP aufgetreten sind, während das amerikanische Finanzsystem ein Vielfaches an inländischen Sparen effizient alloziert hat einfach zu blödsinnig ist um ernst genommen zu werden. Michael Dooley und Peter Garber betonen, dass der Kapitalfluss in die USA zu einer Reduktion der realen Zinsen geführt hat und damit direkt die Preise für Aktien und Grundbesitz in die Höhe getrieben hat. Allerdings an der Vorstellung, dass niedrige Zinsen notwendigerweise zu einem höheren Risiko bei der Kreditvergabe führen muss, nichts dran. Warum sollten ansonsten identische Volkswirtschaften bei Gleichgewichtszinssätzen von 4 % oder 2 % unterschiedlich anfällig für "Betrug" und exzessive Kreditvergabe sein. Es gibt kein ökonomisches Argument dafür. Systematische Fehler in der Aufsicht von Banken und in der Regulierung von Finanzinstitutionen scheinen eher eine Erklärung zu bieten.

2. Das zweite Argument - besonders gerne von Anhängern des esoterischen Goldstandards und anderer esoterischer Varianten der Nationalökonomie gebraucht - ist dass die Federal Reserve eine zu lockere Geldpolitik gefahren ist und Vermögenswerte nicht berücksichtigt hat. Allerdings vergisst eine solche Argumentation, dass die Federal Reserve in diesem Fall die Kontrolle über die konventionelle Inflationsrate verloren hätte. Wären die Kritiker wirklich mit einer deflationären Geldpolitik (auf konventionelle Inflation) zufrieden gewesen, die notwendig gewesen wäre um die Vermögenswerte zu stabilisieren? Oder mit einer Inflation jetzt, die notwendig erscheinen könnte um die Vermögenswerte anzupassen? Darüberhinaus haben alle bubble-ähnlichen Vorgänge in der amerikanischen Volkswirtschaft bereits viel früher begonnen, als die von allen zitierte lockere Geldpolitik der Federal Reserve erst begonnen hat. Damit taugt die Federal Reserve als Schuldige nicht - allerdings Herr Greenspan schon.

3. Finanzinnovation werden von vielen als Schuldige ausgemacht. Es gibt kaum Zweifel, dass neue Finanzprodukte das moderne Finanzsystem verändert haben. Allerdings haben diese Innovationen alle positive Elemente - selbst die verdammten Credit Default Swaps. Das Problem waren aber weniger die Finanzinnovationen als solche, als der Fehler der Regulatoren zu sehen, dass die Finanzinnovationen neue Formen der Spekulation und des moralischen Wagnisses erzeugten. Dies ist nicht allein auf die Unfähigkeit von Regulatoren zurückzuführen. Der Unwillen zu Regulierung von Seiten der Politik (enter Mr. Greenspan), eine Überschätzung der Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes für Risiko und die Unfähigkeit der Politik sich gegen die starke Lobby von Banken und Finanzinstitutionen durchzusetzen sind vielleicht sogar noch wichtiger als Ursachen für diese Krise.

Bleibt Kandidat 4: Versäumnisse in der Ordnungspolitik der Finanzmärkte.

Eine Rückkehr zu einem System der 70er Jahre, wie es einigen vorschwebt ist unmöglich. Moderne Ökonomien können nicht mit Finanzsystemen aus vergangenen "Jahrhunderten" leben. Neue innovative Industrien brauchen Riskokapital, das von konventionellen Banken nicht gegeben werden kann. Banken geben primär Liquidität. Finanzinnovationen sind also notwendig, genauso wie eine effektive und strenge Regulierung.

Weil die wichtigsten Akteure an den Finanzmärkten angeschlagen sind ist es jetzt Zeit zu regulieren. Man braucht keine Angst zu haben zu exzessiv zu regulieren, denn es ist einfacher gegen eine starke Lobby Regulierungen aufzuheben als Regulierungen einzuführen.

4 Kommentare:

  1. Anonym14:01

    Ich halte viel von Dean Baker's Analyse, nämlich: housing bubble, housing bubble, housing bubble.

    Und dafür muss es keinen identifizierbaren Grund geben. Die Japaner hatten ja auch eine gigantische Immobilienblase in den 80ern. Wie sah die Ordnungspolitik der dortigen Finanzmärkte aus?

    Von Kandidat 3 halte ich auch nicht viel. sub-prime gab es laut Dean Baker schon in den frühen 80ern. MBS wurden von Fannie Mae eingeführt, um Häuser an der Westküste mit Geldern der Ostküste finanzieren zu können. Fannie Mae wurde 1938 als Teil des New Deal unter Roosevelt geegründet.

    credit default swaps sind wirklich gefährlich und erfüllen ihren nett gemeinten Zweck nicht.

    Die Zinsen waren mal hoch, mal niedrig. Die Blase blähte sich seit 1996 unbeirrt und beständig auf.

    Dean Baker meint, dass es Greenspans Aufgabe gewesen wäre, die Blase zu erkennen und platzen zu lassen und zwar einfach, indem er sie thematisert und davor gewarnt hätte. Das wäre zumindestens einen Versuch wert gewesen.

    Das Problem ist halt, dass der Herdentrieb auch die Verantwortlichen erfasst.

    - dieter

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  2. Anonym15:28

    @ dieter. Wenn es um den Ausläser der Krise geht, dann ist das: housing bubble + equity bubble + commodity bubble. wobei der dramatischte teil sicher der housing bubble nicht nur in den USA sondern auch in Spanien, UK, Irland, den baltischen Ländern etc. war. Das Platzen der Blase ist schmerzhaft. Dennoch hätten dies relativ "lokale" Events sein können. Warum soll eine Housing Krise mehr als Fannie Mae, Freddy Mac und ca. 20 - 30 amerikanischen Hypothekarbanken den Kopf kosten? Wobei sich hier zeigt, dass jene Banken die am aggressivsten Hypothekarkredite unters Volks gebracht haben, gerade jene waren, die ihre Hypotheken verbrieft haben. Interessanterweise nicht jene Banken, die sich auf die Hypothekenvergabe für benachteiligte Schichten konzentriert haben. Also auch hier weniger ein Versagen der "Politik" als ein Versagen der "Regulierung". Und dabei hat Baker recht: Es ist ein Versagen Greenspans als Regulator und als Meinungsbildner. Weniger ein Versagen der Fed als solcher.

    Aber was ist mit der Verstärkung zu einer globalen Finanzkrise? Ich denke nicht, dass das allein auf den Housing Bubble rückführbar ist. Da gab es Verstärker, die das systemische Risiko nicht nur nicht reduziert, sondern im Gegenteil verstärkt haben - die Allokation von MBS, CBOs, CDS und wie sie immer heissen mögen. In my humble view ist die Scheisse in der wir stecken primär eine Vertrauenskrise des Finanzsystems und der Wirtschaftspolitik, das leider reale Auswirkungen hat. Citibank, AIG, Lehman Brothers, sowie der Rückgang der Industrieproduktion in Europa etc. sind nicht allein durch den Auslöser erklärbar sondern primär durch Verstärker.

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  3. Anonym13:33

    nja. das klingt immer noch optimistisch. Interessant ist dass europa mehr leidet als die USA. Für Deutschland wird -3,5% prognostiziert während für die USA -2,5%. Und das obwohl Deutschland kein Häuserdebakel, keine systemische Bankenkrise und der durchschnittliche Deutsche weniger Finanzmärkten ausgesetzt ist als der durchschnittliche Amerikaner. Da stellt sich schon die Frage ob da nicht zumindest in Europa ein niedrigeres Gleichgewicht angepeilt wird.

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  4. Anonym09:57

    @stütze der g.:
    commodities waren keine Bubble, sondern die wurden wirklich knapp.

    Der amerikanische Häusermarkt, war/ist um 8 Billionen (engl trillion) Dollar überbewertet. Ein großer Teil dieses imaginären Reichtums wurde als Sicherheit für Kredite genutzt. Das muss ein Finanzsystem hart treffen, ganz egal für welche Vehikel diese Sicherheiten dienten.

    Ansonsten: wealth effect, sagt Dean Baker.
    Die Amerikaner, Briten und Iren fühlten sich reich und zuversichtlich, weil ihre Häuser tw. jedes Jahr um 20% mehr wert wurden und gaben dementsprechend gedankenlos Geld für Konsum aus. Diese Party ist nun vorbei. Dean Baker schätzt den wealth effect auf 4-5% ein. Ich kann mir vorstellen, dass der Rückgang bei den Konsumausgaben sogar wesentlich dramatischer ist, weil die neue Situation einen großen emotionalen Bruch für den Konsumenten darstellen muss.

    Und wenn die Amis, Briten und Iren kein Geld mehr ausgeben, dann fallen eben viele um, die darauf bauten, in diese Länder zu exportieren und auch alles, was da dran hängt, inklusive natürlich der Osten. Und damit fallen dann auch weitere Kredite um.

    - dieter

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