Freitag, 13. März 2009

Versicherung oder Haftung als Grundlage der Marktwirtschaft?

Dies ist eine zentrale Frage, die sich mir in der gegenwärtigen Situation der Finanz- und Wirtschaftskrise stellt. Es geht wieder einmal darum, was getan werden soll. Soll man Aktionäre, Manager und Gläubiger fauler Banken und Versicherungen in den faulen Apfel beissen lassen oder doch besser an den Honigtopf öffentlicher Infusionen anhängen. Was kann jetzt noch das systemische Risiko vergrößern? Mittlerweile stellt sich die Situation so dar, dass die Krise auch in Europa voll auf die Realwirtschaft durchschlagen wird, mit weiteren negativen Rückkoppelungen in das Finanzsystem. Was tun? Versichern oder das Haftungsprinzip anwenden? Wie Gerhard Wegner auf Wirtschaftliche Freiheit treffend formuliert ist das Versicherungsprinzip an Stelle des Haftungsprinzips getreten:
Wir lernen in der jetzigen Bankenkrise, in welch gravierender Weise das Prinzip „Haftung“ außer Kraft gesetzt wird: eigentlich müssten HRE in Deutschland oder AIG in den USA in Konkurs gehen, weil deren Geschäftsstrategien zu Verlusten in geradezu märchenhaften Größenordnungen geführt haben. Aber das Ausscheiden aus dem Markt bereinigt diesen nicht, sondern weitet die Krise im gesamten Finanzmarktsektor aus.Das Haftungsprinzip ist damit in fataler Weise außer Kraft gesetzt, und zwar nicht, weil Banker nicht für Verluste haften könnten, wie gegenwärtig häufig gefordert wird; sondern weil es niemand auf einen Konkurs systemrelevanter Banken ankommen lassen will. Das ist eine Folge sowohl der Größe der Unternehmen („too big to fail“) als auch ihrer Verflochtenheit mit anderen Finanzinstituten („too interconnected to fail“).

Doch ist dem wirklich so. Eine Reihe von Ökonomen haben sich bereits für ein Good Bank Proposal, Verstaatlichungen oder ähnliches stark gemacht, welches Aktionäre, Bankmanager und ungesicherte Gläubiger stark treffen würde. Der Unterschied des good bank zum bad bank Szenario ist dass bei ersterem der Staat die Good Bank unterstützt in zweiterem die "toxischen Assets" den Banken überteuert abkauft und "staatlich versichert".
Letzteres ist nicht unbedingt notwendig meinen einige Analysten. Das Vorgehen der Regierung Obama und der Federal Reserve in der Bankenkrise hat in der letzten Zeit nicht den Beifall selbst von kritischen Ökonomen wie Krugman oder Stiglitz erhalten. Von der liberalen "Saving Capitalism from the Capitalists" Schule (z.B. Zingales) gar nicht zu schweigen. Doch die Argumente sind im wesentlichen dieselben: Den Banken, ihren Managern, Aktionären und Gläubigern wird zuwenig weh getan. Denn es geht in Wirklichkeit nicht um die Banken, ihre Aktionäre, Manager oder Gläubiger sondern allein um die Stabilität des Finanzsystems. Kann dieses stabilisiert werden und gleichzeitig die Rechnung von den Aktionäre, Managern und Gläubigern der Banken statt dem Steuerzahler bezahlt werden umso besser.
Mittlerweile sind die ökonomischen Analysen stark von politikökonomischen Überlegungen geprägt. So spricht Simon Johnson von Baseline Scenario davon, dass das Brechen der politischen Macht der Banken zentral für eine Lösung des Systems ist:
We need to break or substantially reduce the political power of the banks in the U.S. and in all other countries where this is a pressing first-order issue. This is a tall order, but if the problems gain sufficient visibility and our political leaders focus, we can make progress.

Zingales schlägt in die gleiche Kerbe:
President Obama, who has campaigned against special interests and in favor of a real change, should now be true to his promises and free us from the Wall Street tyranny. Given the economic disaster that has resulted from Wall Street lobbying, he should start with a temporary ban on banks’ lobbying. Banks are using our money to lobby against our interest. Second, he should drop the idea, so dear to Wall Street, of an aggregator bank and force banks’ investors to bear the losses they created rather than shifting them to taxpayers.

Jeder Finanzbubble ist letztlich auch dadurch charakterisiert, dass die Überschuldung des Bankensektors steigt, damit auch die Kreditvergabe an Banken. Wenn die Kreditoren durch Garantien versichert werden, ist es nicht überraschend wenn nichts aus der Situation gelernt wird. Willem Buiter findet das Argument, dass die Insolvenz von Lehman die Finanzkrise erst richtig ausgelöst hat nicht überzeugend und darüberhinaus, dass die Marktteilnehmer sich mittlerweile damit abgefunden hätten, dass viele Banken und Quasibanken wie AIG stehend k.o sind:
I don’t accept the interpretation that it was Lehman’s filing for bankruptcy protection that triggered the cardiac arrest in global financial markets in the second half of September 2008. Instead the financial sector convulsions of the last quarter of 2008 were caused by the realisation that (1) most of the US and European border-crossing banks were insolvent without government financial support, that (2) the rot extended to the shadow banking sector (AIG), and that (3) the US authorities (Treasury, Fed, SEC) were not on top of the issue and that Congress was bound to act irresponsibly.
But even if it had been Lehman that triggered the financial upheaval, that was then. This is now. Banks, counterparties, investors and policy makers have had 6 months to adjust to the new reality and prepare for the eventuality of default on zombie bank debt and even on AIG debt. The bonds of large zombie banks trade at spreads over government yields comparable to those of automobile manufacturers (600 - 650 basis points). Their CDS spreads put many of these banks well into the default danger zone. Their stock market valuations are consistent with those of institutions not a mile away from insolvency and default.

Dies würde letztlich bedeuten, dass eine konsequente Politik, die die feine Linie zwischen Systemerhaltung und Berücksichtigung der Interessen der Steuerzahler finden kann sicherlich anders aussieht als jene der Federal Reserve oder der meisten Europäischen Regierungen, wieder Buiter:
If a bank or an insurance company like AIG is at risk of failing but is truly too big or too interconnected to fail (rather than merely too politically connected to fail), and if a Good Bank solution is not feasible, then the institution in question should immediately be taken into public ownership or put into a special resolution regime, if one is available. From public ownership it can be put into administration. Once in administration or under a Special Resolution Regime, it can be restructured decisively through a mandatory debt-to-equity conversion or debt write-down. There is no case for sparing the unsecured creditors.

Manchmal kann Verstaatlichen ein Teil einer flexiblen Ordnungspolitik sein. Nur muss sichergestellt werden, dass dies (a) nur vorübergehend ist, (b) nur ordnungspolitische Gründe hat (Systemrisiko) und (c) der Staat nur als Insolvenzverwalter auftritt der die sozialen Kosten minimiert. Das kann funktionieren. Muss nicht funktionieren. Aber einen Versuch wert wäre es jedenfalls.

2 Kommentare:

  1. Anonym18:37

    Am besten wäre es, wenn es dem Staat schlicht verboten wäre den Banken zu helfen. Dann würden die Marktteilnehmer selber dafür sorgen, dass der Leverage nicht so stark steigt. Aktuell ist der Hauptfaktor in Bankenratings die Größe: Bester Indikator dafür, dass der Staat in der Not beispringt. Der Markt plant fest mit der Staatshilfe. Das muss man ihm austreiben, sonst ist jede Regulierung vertan.

    http://verlorenegeneration.wordpress.com/2009/01/10/eigenkapitalquoten-der-banke/

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  2. Anonym18:38

    Hier noch eine Liste mit Rettungsvorschlägen ohne Staatsgeld (unten im Post).

    http://verlorenegeneration.wordpress.com/2009/02/22/good-bank-zur-rettung-des-finanzsystems/

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