Die Konjunkturlage trübt sich ein, doch die Statistik Austria hat am Montagabend der heimischen Wirtschaft zumindest einen statistischen Schub verpasst. Die Wirtschaftsleistung Österreichs lag gemäß der neuen Berechnung im Jahr 2013 bei 322,6 Milliarden Euro. Das sind um 9,5 Milliarden Euro mehr als mit der alten Berechnung. Damit macht das BIP einen statistischen Sprung von drei Prozent.Die Presse ist da weniger kreativer und druckt den Text der APA ab wo steht:
Neue EU-Standards bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts erhöhen Österreichs Wirtschaftsleistung auf einen Schlag um 9,5 Milliarden Euro auf 322,6 Mrd. Euro im Jahr 2013. Unter anderem werden nun auch Ausgaben für Forschung & Entwicklung von der Statistik Austria als Investitionen miteinberechnet. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in Österreich von jährlich 1,9 Prozent zwischen 1995 und 2013 bleibt trotz Neuberechnung unverändert. Das errechnete BIP-Wachstum für das Vorjahr senkte die Statistiker um 0,1 Prozentpunkte auf 0,2 Prozent. 2012 blieb das BIP-Plus unverändert bei 0,9 Prozent, 2011 wurde es um 0,3 Prozentpunkte auf 3,1 Prozent angehoben.Also es ändert sich das Berechnungssystem aber nicht die Wachstumsraten. Die Antwort ist also nein. Manchmal scheint journalistische Kreativität leider ein bisschen ein Feind der Wirklichkeit zu sein.
Wie die Kurzzusammenfassung vom deutschen Statistikinstitut Destatis zeigt sind die wichtigsten Anderungen:
- Forschungs- und Entwicklungsausgaben werden nicht mehr als Vorleistungen sondern als Investitionen betrachtet. Diese Änderung trägt der Tatsache Rechnung dass intangible Investitionen wie Forschung und Entwicklung heute genauso wichtig sind wie tangible Investitionen (Häuser, Maschinen oder betrieblich genutzte Fahrzeuge).
- Auch militärische Güter zählen nun als Investitionen. In Österreich nicht so wichtig, wie die Diskussion ums Miltärbudget zeigt.
- Umklassifikation von Marktproduzenten zum Sektor Staat (in Österreich z.b. ÖBB, Wiener Linien, einige Krankenhäuser). Dies führt zu einer Erhöhung, denn der Produktionswert wird im Sektor Staat mit den Kosten bewertet und nicht mit den subventionierten Marktpreisen. Dafür werden auch die Schulden zum Sektor Staat gezählt.
Die Frage, welche kritischen Stimmen zur Umstellung selten beantworten können, ist jene was durch das BIP gemessen werden soll. Steuerquoten können das nicht sein, ebensowenig Steuerquoten. Letztlich ist das BIP genauso wie die Zeitmessung ein Messkonzept mit verbundenen Standards. Nur wird nicht die Zeit sondern die Wirtschaftsleistung von Ländern gemessen. Wenn wegen einer Standardänderung die Sekunde plötzlich länger dauern würde, dann würde auch keiner behaupten, dass man jetzt schneller 100 Meter laufen kann.
Wie sich die Schuldenquote ändert, hängt davon ab was alles zum Sektor Staat dazugerechnet wird. Die Methodiker erwarten für Österreich ein ansteigen der Schuldenquote weil bisher privat klassifizierte Schulden als Staatsschulden gezählt werden. Dass die Schuldenquote der Hauptkritikpunkt der Kritiker zu sein scheint ist insofern erschreckend, als die Kritik sich nicht daran entzündet was mit dem BIP gemessen werden soll sondern nur eine Wirkung der Änderung kritisiert wird.
Was soll das BIP messen und wie soll es im Detail gemessen werden? Darüber liese sich vortrefflich argumentieren und streiten. Für Interessierte hat Eurostat die Dokumentation. Ohne die 778 Seiten gelesen zu haben würde ich sagen mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung soll die Entstehung, Verteilung und Verwendung die gesamte Wirtschaftsleistung real und nominell gemessen werden. Dazu gehörten letztlich auch illegale Aktivitäten, denn die führen ebenso zu Produktion, Einkommen und Konsum. Sollte was anderes gemessen werden, könnte man ja ein Brutto Staatsrelevantes Produkt oder ein Brutto Schuldenrelevantes Produkt erfinden. Dieses wäre dann ein bisschen ein anderes Getier der offiziellen Statistik.
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