Sonntag, 21. September 2014

Synchrones Steursenken gegen die Krise?

Nachdem ich mich immer schwer mit der Vorstellung getan habe, wie ein fiskalpolitischer Impuls in Europa aussehen könnte, kommt jetzt ein ziemlich konkreter Vorschlag von den italienischen Ökonomen Giavazzi und Tabellini auf VoxEU.

Bei Fiskalpolitik dachte ich immer an größe Investitionsprogramme und Betonkeynesianismus (große staatliche Infrastrukturinvestitionen), der nicht immer angemessen und zielführend ist. In Zeiten wo Unternehmen wegen geringer Nachfrageerwartungen nicht investieren hat Investitionsförderung (Zuschüsse und Liberalisierung) hohe Kosten und geringe Effekte. Unternehmen nehmen die Förderung mit, investieren deshalb aber nicht mehr. Bei grossen Investitionsprojekten gibt es das Problem, dass viele Projekte kapitalintensiv sind und damit geringe unmittelbare Konjunktureffekte erzielen.

Giavazzi und Tabellini denken an Steuersenkungen. Steuersenkungen haben auch den Vorteil, dass sie im weniger für Fehlallokationen führen als Investitionsprogramme, wo Interessensgruppen stärker lobbyieren können (auch wenn Bauinvestitionen höhere Multiplikatoren zu haben scheinen).  Sie schlagen eine konzertierte Aktion von Steuersenkungen in den Euroländern vor. Sie starten von einer Diagnose die sich in ihrer kürze kaum unterbieten lässt Ende 2013 war:
  • Private consumption in the Eurozone was 2% below its 2007 level;
  • Private investment was 20% below the 2007 level;
  • Producers’ prices have been decreasing for over a year.
  • The only bright spot is the rise of exports by almost 10% since late 2013.
  • In the US, by contrast, GDP and private consumption are 6–7% above where they were six years ago, and investment too is above its pre-crisis level.
Diese Zahlen verdecken massive Heterogenitäten zwischen den Euroländern, wo es Österreich und Deutschland gut geht, während die Peripherie deutlich schlechter dasteht. Giavazzi und Tabellini argumentieren, dass die Europäischen Probleme primär auf eine Nachfrageschwächung in Folge der Krise 2008 zurückzuführen sind. Ihr Vorschlag ist einfach:
  • Alle Eurozoneländer sollen synchron eine Steuersenkung im Ausmaß von 5% des BIP durchführen. 
  • Den Ländern soll einige Jahre Zeit gegeben werden (drei bis vier) um das mit der Steuersenkung verbundene Defizit zu reduzieren (Wachstumseffekte, kalte Progression und Ausgabeneinsparungen). 
  • Um diese zusätzlichen Defizite während der Überganszeit zu finanzieren sollen die Mitgliedsstaaten langfristige Staatsanleihen ausgeben. 
  • Die EZB soll diese Staatsanleihen kaufen, ohne eine Sterilisation vorznehmen.
  • Die Zinsen sollen den EZB Eigentümern (Nationalbanken) als Seinorage zurückgegeben werden. 
Die Kombination von geldpolitischen und fiskalpolitischen Maßnahmen ist nach Giavazzi und Tabellini  einer reinen monetären Maßnahme überlegen (wie zum Beispiel Quantitative Lockerung). Sie argumentieren, dass die Quantiative Lockerung kaum zu zusätzlichen Krediten und privaten Ausgaben führen wird. Andererseits wären fiskalpolitische Impulse ohne geldpolitische Unterstützung unmöglich, weil die Staatsschulden vieler Länder bereits am oberen Limit sind.

Indirekte günstige Effekten wären auch ein schwächerer Wechselkursen, von denen die Europäische Exportindustrie profitieren würde. Die sich insgesamt daraus sich ergebende Inflation würde 
dazu beitragen den privaten und öffentlichen Schuldenüberhang abzufedern und der EZB dabei helfen das Inflationsziel von 2 % europaweit zu erreichen und  vielleicht kurzfristig drüberzuschiessen.

Wie Giavazzi und Tabellini  ausführen, ist das wichtigste Argument gegen eine solche Politik nicht ökonomisch sondern politisch. Die Diskussion über Multiplikatoren besagt, dass diese in Krisenzeiten besonders hoch sind (1). Deutschland (und wahrscheinlich/sicher auch Österreich) würden sich gegen eine solche Politik stellen weil sie gegen die in den Verträgen dargelegt grundlegende Idee der Trennung von Geld- und Fiskalpolitik verstößt (Schimpfwort: Transferunion) oder weil deutlich niedrigere Steuern auch Ausgabeneinsparungen im Sozialbereich zur Folge haben könnten. Ob Giavazzi und Tabellini da ein bisschen zu italienisch sein könnten, sei mal übersehen. Einsparungen bei Ausgaben werden nie gern gesehen, weil trotz aller Verwaltungsreformdiskussion, letztlich nur Leistungseinschränkungen kurz- wie langfristig zu nachhaltige Einsparungen führen werden.

Alternativen sehen sie aber im Moment keine. Ohne entschiedene Aktion würde die Eurozone würde weiterhin keinen nachhaltigen Konjunkturaufschwung sehen.

Diesen Vorschlag könnte im österreichischen Kontext auch deswegen sinnvoll diskutieren, weil ohnehin über eine Steuerreform nachgedacht wird, bei der ein Teil der Gegenfinanzierung aus Ausgabeneinsparungen kommen wird. Ob dann eine Umschichtung der Steuern (Vermögenssteuern) mittelfristig auch eine Rolle spielensoll, kann dann jedem Mitgliedsstaat offen gelassen werden. Idealerweise öffnet so eine Steuersenkung auch Möglichkeiten Strukturreformen anzugehen, die in Zeiten der Austärität nicht durchführbar sind, weil sie Charakteristiken von Konsoldierungspaketen aufweisen.









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