Kaum eine vorweihnachtliche ZIB-Sendung vergeht ohne einen Beitrag über Salzburgs Spekulationsgeschäfte, oder vielmehr deren Verluste. Die Geschichte reiht sich ein in die lange Liste der jüngsten Korruptionsskandale und Gerichtsprozesse wegen diverser betrügerischer Machenschaften. Was mich diesmal besonders stutzig macht ist, dass, neben der politischen Dimension und möglicher krimineller Aspekte, selbst der Rechnungshof die Spekulationsgeschäfte nicht entdeckt hat. Auch die Rechnungsprüfer haben in ihren jährlichen Abschlussberichten nicht aufgeschrien. Wie kann es zu so etwas kommen? Entweder es wurde nicht hinreichend geprüft (glaub ich nicht), oder es gibt ein Problem in der Buchhaltung, so dass es nicht erkannt werden konnte. Und ist möglicherweise ist das Ganze nicht einmal irregulär, von einem buchhalterischen Standpunkt aus betrachtet.
Salzburg, wie viele andere Länder auch, befolgt nach wie vor die Kameralistik, ein Buchhaltungssystem für den öffentlichen Sektor aus dem 18. Jahrhundert. Die doppelte Buchhaltung, wie sie von jedem nur halbwegs größeren Unternehmen gemacht wird, scheint nur rudimentär ausgeprägt zu sein. In der Kameralistik werden lediglich Zahlungsflüsse verbucht. Wertänderungen werden erst berücksichtigt, wenn sie zahlungswirksam werden und gehen dann mit einem Gewinn oder Verlust ein. Das scheint auch der Fall in Salzburg zu sein. Erst jetzt, wo Zahlungen gemacht werden müssen, kommen die Dinge in den Büchern zu Tage. Das ist alles andere als zeitgemäß. Eine bloße Kassaführung mag vertretbar sein, wenn man einen Würstelstand betreibt. Wenn man wie die Länder komplexe Verwaltungssysteme führt und gelegentlich hochspekulative Versicherungsgeschäfte abschließt wohl weniger.
Nicht alles ist düster. Es gibt auch viel Licht. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen ist ein gewaltiger Umbruch in der Buchführung beim Bund. Das geringe Interesse ist wenig überraschend. Änderungen von Buchhaltungsregeln sind medial schwer zu verkaufen. Mit dem Bundeshaushaltsgesetz 2013 gibt es nun eine Gewinn und Verlustrechnung (Ergebnishaushalt), eine Cash-Flow Rechnung (Finanzierungshaushalt) und eine quasi-bilanzielle Bewertung von Vermögenswerten (Vermögenshaushalt). Der Schritt in die Moderne wurde auf Bundesebene trotz aller Schwierigkeiten im Detail getan. Neben der nun möglichen besseren Steuerung der Ausgaben ist der lang ersehnte Überblick über die Vermögen erhältlich. Eine spannende und vermutlich nicht eindeutig zu klärende Frage ist auch, wie viel der Staat „wert“ ist und wie sich das Vermögen den Schulden gegenüber verhält.
Diese Systemänderung sollten auch in den Ländern vollzogen werden. Die ‚drohende‘ Umstellung könnte auch ein Mit-Grund sein, warum sich Herr Platter, der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, so heftig gegen Einflussnahme des Bundes wehrt. Was würde passieren, wenn der Bund den Ländern ein modernes Buchhaltungssystem aufzwingt? Wie heftig würde das bisherige Bild durcheinandergebracht werden? Würde dann auch das Rating der Länder wackeln? Die Bewertung jener Ratingagenturen, die ihre Einstufungen zur Kreditwürdigkeit auf nicht gesammelte Daten gestützt haben, also eine Bewertung im Blindflug vorgenommen haben.